Action!

Die Babelsberger Filmstudios sind aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht. Wer küßt die Kultusbürokratie wach? Und wann steigen die Banken ein? Wird das privatisierte Medienzentrum Adlershof zur Konkurrenz?  ■ Von Mariam Niroumand

Noch vor zwei Jahren wirkte das Studiogelände an der August- Bebel-Straße wie sein eigenes Museum. Ein vereinsamter Pförtner freute sich über jeden seltenen Gast und hier und da stolperte man über verstaubte Marlene-Dietrich- Büsten. Von Unkenrufen begleitet, hatte vor einem Jahr die französische Compagnie Immobilière Phénix (CIP) den DEFA-Nachlaß von der Treuhand übernommen, mit Volker Schlöndorff als Geschäftsführer und über sechshundert Mitarbeitern, die zum Teil in der dritten Generation als Beleuchter, Tischler, Maskenbildner oder Verfertiger von Eisblumen in Babelsberg arbeiten. Seither sind drei große Projekte abgedreht, unter anderem „Der Kinoerzähler“ von Bernhard Sinkel mit Armin Mueller-Stahl in der Hauptrolle, und drei von Babelsberg selbst mitproduzierte Filme, beispielsweise „Der Blaue“ mit Manfred Krug als Bundestagsabgeordnetem mit Stasi-Vergangenheit.

Die CIP, von der eine Zeitlang gemunkelt wurde, sie sei eigentlich nur auf Bodenspekulation aus, stellt dem Studio für die nächsten vier Jahre 60 Millionen Mark zur Verfügung, die in laufende Filmproduktionen mit Finanzierungslücken gesteckt werden können. In den beiden größten Hallen stehen schon sepia-farbene Urwaldbäume und provisorische Monster für die Großproduktionen „Die Unendliche Geschichte III.“ und „Mesmer“ – die Ateliers sind bis Frühjahr 1994 ausgebucht. Also läuft der Laden?

Ja und nein. Von dem Plan, auf dem 47 Hektar großen Gelände nicht nur eine Filmstadt, sondern gar eine internationale Medienstadt zu errichten, ein Dienstleistungszentrum mit Hotels, Büros, Kongreßräumen und Entertainment-Park ist die Chose noch ein ganzes Stück entfernt.

Zwar ist zumindest die „Filmstadt“ erheblich attraktiver geworden, seit „Europas modernste Mischanlage“ für die Postproduction installiert worden ist. Aber international arbeitende Regisseure wie John Schlesinger, der kürzlich „The Innocent“ in Babelsberg drehte, empfinden die Anlagen noch immer als „etwas schwerfällig, obwohl einem hier niemand vorschreibt, welche Schuhe die Hauptdarstellerin zu tragen hat, wie in Hollywood.“

Um so schnell wie möglich internationalen Standards zu genügen, hat sich die Studio Babelsberg GmbH nicht nur mit der Bertelsmann Tochter Ufa zusammengetan, sondern nun auch mit der Island World, einem US-Koloß, der sich auf Filme mit mittelgroßen Budgets wie „Marathon Man“ oder „Moby Dick“ spezialisiert hat. Branchenkenner befürchten, daß dabei nur „B-Pictures herauskommen, Filme, die nur kurz in den Kinos laufen, aber im Prinzip für den internationalen Video- Kassettenmarkt produziert werden.“ Für deutsche Schauspieler mit Akzent jedenfalls ziehen da wohl traurige Zeiten auf, denn die sechs bis sieben Produktionen pro Jahr werden in englisch gedreht. Manne Krug als J.R. Ewing? „Die müssen eben ihre Rollen in einer anderen Sprache lernen, so wie das französische oder italienische Schauspieler auch ständig tun müssen“, meint Pressesprecher Harald Melzer. „Akzentfreies Englisch ist ja heute keine Seltenheit mehr.“

Für diese Produktionen wurde eine Kommanditgesellschaft gegründet, an der sich Geldgeber mit mindestens zwei Millionen Mark beteiligen sollen. Das gesamte Kommanditkapital von 150 Millionen Mark soll noch von einem Bankkredit in derselben Höhe abgestützt werden. Deutsche Investoren tragen jährlich rund zwei Milliarden Mark nach Hollywood, um sich an Lizenzrechten und Vertriebserlösen aus Filmtheatern zu beteiligen – „JFK“ oder „Pretty Woman“ wären ohne Deutschmark nicht zustandegekommen. Die Berliner Bank hat sich bereits heftig engagiert, und das scheint auch einleuchtend, zumal die Bankendort Auswahl und Fortschritte einer Produktion direttamente beeinflussen können und zumal ihnen hier, im Gegensatz zu Hollywood, eine hundertprozentige Abschreibemöglichkeit winkt?

Noch immer ist nicht geklärt, auf welche Weise nun die beiden Länder Brandenburg und Berlin in Babelsberg mitmischen werden. Längst zur Provinzposse verkommen sind die zähen Verhandlungen um das Filmboard, das den seit Monaten vakanten Sitz des Filmbeauftragten ersetzen und über die Vergabe von Fördermitteln entscheiden soll. Zwischen Wirtschafts-, Finanz- und Kultursenat in Berlin herrscht Uneinigkeit darüber, ob man den Banken direkten Zugriff auf die Produktion ermöglichen soll, oder ob sich das Land die Oberhand sichert. „Der Föderalismus ist doch eine Crux. Wenn ich erst zu 16 verschiedenen Stellen laufen muß, bevor ich einen Film machen kann, gehe ich doch lieber in Länder, wo es einfacher ist“, meint ein Produzent mit Sitz in Babelsberg. Ein geheimnisvoller Brief von Ministerpräsident Stolpe an den Regierenden Bürgermeister, mit dem der Pressesprecher des Kultursenats, Klemke, in den nächsten Tagen rechnet, „wird hoffentlich einige Probleme lösen, so daß wir, statt aus zwei kleinen Töpfen, aus einem großen arbeiten können.“

Neidisch blickt man von Brandenburg nach Nordrhein-Westfalen, wo die Landesregierung seit fünfzehn Jahren an der Umstellung von Schwerindustrie auf High-Tech und Medienentwicklung arbeitet. Der Media Park in Köln kommt zwar dem Babelsberger Konzept der Medienstadt sehr nahe, wird aber in der Praxis bisher hauptsächlich als Bürostadt genutzt. „Kein anderer Medienstandort in der Bundesrepublik“, so Pressesprecher Melzer, „verfügt über dieselbe Kombination von Tradition und Filmschwerpunkt wie Babelsberg. Die Bavaria in München wird doch auch bald eine reine Fernsehstadt sein, wenn es so weitergeht.“

Ohne Fernsehproduktionen ist allerdings auch Babelsberg aufgeschmissen. Da droht Gefahr aus Adlershof, dem Sitz des früheren Staatsfernsehens der DDR. Von dem ursprünglichen Konzept, es in einen Produktionsstandort für Wissenschaftstechnologie umzubauen, ist der Wirtschaftssenat aus Geldmangel inzwischen abgekommen. Referatsleiterin Walter teilte der taz mit, daß dieser Tage auf der Funkausstellung verkündet wird, welcher Investor das Gelände möglicherweise übernimmt: „Ein Medienstandort bleibt es aber allemal.“ Das könnte das Aus für Babelsberg sein, wenn sich die politischen Gremien nicht zu einer positiven Entscheidung für Filmproduktion auf dem ehemaligen Ufa- Gelände durchringen können. Wann rechnet der Kultursenat mit dieser Entscheidung? „Sobald diese ganze Schillerkiste vorbei ist.“