Spaltpilz bei Frankreichs Umweltparteien

■ Neue Fraktion bei den Grünen droht mit eigenen Kandidaten bei den Wahlen

Paris (taz) – Schritt für Schritt bewegen sich die beiden französischen Umweltparteien Les Verts und Génération Écologie auf die Zersplitterung zu. Nachdem die WählerInnen das grüne Bündnis im März auf magere 7,8 Prozent zurechtgestutzt haben, schlingern jetzt vor allem die Grünen auf eine Spaltung zu. Als ein Parteimitglied bei der Tagung ihres Nationalrates am Wochenende in Macon vor versammelter Presse berichtet hatte, ein Rundfunksender habe bereits den Bruch verkündet, brach Panik aus: Kaum einer bezweifelte die Meldung, so sehr entspricht sie dem Zustand der Partei. Später erwies sie sich als falsch, vielleicht kam sie auch nur zu früh.

In Wirklichkeit hatte sich eine neue Fraktion namens „Unabhängige Grüne“ gegründet. Es sind Anhänger von Parteisprecher Antoine Waechter, die sich gegen „die Kolonisierung der Partei durch die Linke“ wenden. Sie drohen damit, „bei kommenden Wahlen (eigene, d.R.) Kandidaten zu präsentieren, die politische Autonomie garantieren“. Der Parteivorstand wies dieses „fraktionistische Verhalten“ in einem Kommuniqué scharf zurück und forderte die Abspaltler auf, Mehrheitsentscheidungen zu respektieren. Allein Waechter unterzeichnete das Papier nicht.

Seit der Maastricht-Debatte vor einem Jahr sind Les Verts gelähmt. Bei der innerparteilichen Abstimmung über ein Nein oder ein Ja zum Europäischen Einigungsvertrag hatte sich gezeigt, daß sich zwei Flügel gleich stark gegenüberstehen: die Abstimmung ging 50 zu 50 aus, die Grünen bezogen also keine Position. Seither blockieren sich die beiden Blöcke in allen richtungweisenden Fragen. Dabei wird der linke Flügel von Parteisprecherin Dominique Voynet angeführt. Die Gegenfraktion ist strikt auf Autonomie bedacht, sie wird von Waechter personifiziert.

Um sich zu behaupten, sind jedoch beide auf Allianzen mit Randgruppen der Partei angewiesen, die sie noch bewegungsunfähiger machen. Die Folge: Die Partei beschränkt sich auf Nabelschau, innenpolitisch sind die Grünen nicht mehr präsent. Zu so wichtigen Themen wie der Ausländerpolitik und dem Asylrecht hört man von ihnen keine Reaktion. Die grüne Präsidentin der Region Nord-Pas-de-Calais, Marie-Christine Blandin, räumte kürzlich ein, daß es der Partei nicht gelungen sei, Verteidiger von kleinen Vögeln, Feministinnen, Ex-Linke und Fachleute für Biotope zu vereinen.

Während die Grünen also darunter leiden, daß bei ihnen zwei unvereinbare politische Kulturen aufeinanderprallen, hat Génération Écologie (GE) andere Probleme: Dort verspielt sich Gründervater Brice Lalonde alle Sympathien, weil er mit der Partei umgeht, als sei sie sein persönliches Spielzeug. Über ein Viertel der hundert Regionalräte, die im März 1992 mit dem Etikett GE gewählt wurden, hat die Partei inzwischen verlassen. Viele von ihnen konnten das selbstherrliche und undemokratische Verhalten von Lalonde nicht mehr ertragen. Dem scheint es recht zu sein, denn zuletzt schloß er selbst fünf prominente GE-Mitglieder aus der Partei aus, weil sie die vereinbarten Beiträge nicht bezahlt hatten. Zufällig waren auch die aktivsten Kritiker des Parteichefs darunter. Harlem Désir, derzeit noch GE-Mitglied, kritisierte daraufhin die „stalinistischen Methoden“ von Lalonde. Dieser beschimpfte den früheren SOS-Rassismus-Chef in der Presse als „intriganten Kaviar-Linken“.

Vielen GE-Mitgliedern paßt es auch nicht, daß der ehemalige Umweltminister der sozialistischen Regierung mal mit der Rechten anbändelt und mal mit der Linken. Kürzlich hat Lalonde Regierungschef Balladur um einen Auftrag gebeten. Für die rechte Regierung erstellt er jetzt einen Bericht zum Thema „Gatt und die Umwelt“, der dann in einer Schublade verstauben dürfte. Die Grünen betonen unterdessen, daß sie mit allen GE-Dissidenten kooperieren wollen. Ein erneutes Bündnis der Umweltparteien für die Europa-Wahlen erscheint immer unwahrscheinlicher. Bettina Kaps