Schuldenfreie KandidatInnen

Wahlkampf in Pakistan beginnt / Neutrale Übergangsregierung will Manipulationen verhindern / Benazir Bhutto und Nawaz Sharif: populistischer Stil und angeschlagener Ruf  ■ Aus Islamabad Bernard Imhasly

Am 6. Oktober wird in Pakistan ein neues Parlament gewählt – zum dritten Mal innerhalb von fünf Jahren. Die KandidatInnen konnten sich bis zum Wochenende registrieren lassen. Allerdings hatte die Interimsregierung von Moeen Qureshi zuvor ein Gesetz erlassen, das all jene von einer Aufstellung disqualifizierte, die bis dahin ihre Darlehen oder Steuerschulden nicht beglichen hatten. Daran scheiterten nicht wenige hoffnungsvolle PolitikerInnen.

Die Wahlkampfprogramme der beiden wichtigsten Parteien, der „Pakistan People's Party (PPP) Benazir Bhuttos und der „Pakistan Muslim Liga“ (PML) Nawaz Sharifs haben sich einander angenähert. Gemeinsam ist Bhutto und Sharif – beide waren schon einmal PremierministerIn – nicht nur der populistische Stil, sondern auch der angeschlagene Ruf, mit dem sie in die Arena treten.

Wenn die WählerInnen jetzt wohl zum ersten Mal auf einen freien und fairen Wahlgang hoffen können, so liegt das daran, daß er von einer Übergangsregierung vorbereitet wird, deren Vertreter keine Politiker sind. Diese werden nach dem 6. Oktober wieder ins Privatleben zurückkehren. Auch in den Provinzen stehen Gouverneure an der Spitze, die keine Parteiinteressen vertreten. Eine unabhängige Wahlkommission hat überdies in den letzten Wochen zahlreiche Beamte mit Beziehungen zu politischen Parteien zwangsversetzt, damit sie nicht dem Wahlglück ein bißchen nachhelfen können. Die Armee hat sich bereit erklärt, am Wahltag die Urnen zu überwachen, um zu verhindern, daß Wahlurnen „gekidnappt“ werden und kurz später mirakulös wieder auftauchen, aber mit Wahlzetteln zugunsten des Gegenkandidaten vollgestopft.

Damit begeben sich die ehemalige Regierungspartei von Nawaz Sharif und die Opposition unter Benazir Bhutto erstmals mit gleich langen Lanzen in den Kampf. Ihre Programme sind einander zudem ähnlich: Beide fordern eine Stärkung der demokratischen Institutionen, allen voran die Abschaffung des Achten Verfassungszusatzes, der dem Präsidenten die Macht gibt, eine gewählte Regierung abzusetzen

Neue Allianzen

Der nun zurückgetretene Präsident Ishaq Khan hatte damit sowohl Benazir Bhutto wie Nawaz Sharif aus dem Sattel gehoben. Sharif hatte aber im Sommer seine Absetzung beim Obersten Gericht erfolgreich angefochten – und damit war das Spiel für Khan, und wohl auch für dieses Verfassungsrelikt aus der Zeit der Militärdiktatur, zu Ende. Sowohl Nawaz Sharif wie Benazir Bhutto setzen sich auch für eine Weiterführung der wirtschaftlichen Liberalisierung ein. Schließlich ziehen die beiden auch in der wichtigen Frage der Kompetenzverteilung zwischen Zentralstaat und Provinzen am gleichen Strick.

Das Einpendeln beider Parteien in der politischen Mitte wird durch die Allianzen noch verstärkt, welche PPP und PML bisher eingegangen sind. In den beiden letzten Wahlen hatte sich die populistische PPP unter Bhutto vor allem mit kleinen Parteien im linken Spektrum verbunden, und die PML von Nawaz Sharif war in der Islamischen Volksallianz der „Islami Jamhoori Ittehad“ untergebracht, der auch die rechtsnationale MQM und vor allem die beiden wichtigsten islamischen Jamaat-Parteien angehört hatten.

Nun hat sich die Konstellation umgekehrt: Während sich die PPP nicht scheut, auch mit Rechtsparteien zusammenzuspannen, geht Sharif im Punjab alleine und verbündete sich in Baluchistan und in der North West Frontier Province mit säkularistischen Parteien. Das Gleichgewicht zwischen den Widersachern wird auch dadurch gesichert, daß beide Seiten mit gewichtigen Handicaps belastet sind. Nawaz Sharif ist aus dem Zweikampf mit Präsident Ishaq Khan zwar als Sieger hervorgegangen, aber er mußte dabei eine Spaltung der PML in Kauf nehmen. Die dem feudal-bürokratischen Establishment zuzurechnenden Politiker haben sich unter H.N. Chattha gesammelt und können vor allem in der Schlüsselprovinz Punjab für Sharif gefährlich werden. Über ihm hängen zudem Korruptionsverdacht, Vorwürfe der Verfolgung politischer Gegner und Gerüchte, wonach er mit Drogenbaronen liiert sei. Auch wenn keine dieser Anklagen bewiesen sind, werden die Details den Zuhörern in den Wahlreden nun genüßlich aufgetischt werden.

Aber auch Benazir Bhuttos Prestige hat in den letzten Monaten gelitten. Vor allem die opportunistische Allianz mit ihrem Erzfeind Ishaq Khan hat viele Parteikader vor den Kopf gestoßen. Sie schaltet und waltet in der PPP zudem weiterhin mit der Arroganz einer Feudalherrin, welche die Partei als ihren Privatbesitz ansieht. Beide Faktoren haben dazu geführt, daß prominente Mitglieder aus der Partei ausgetreten sind. Auf der anderen Seite ist allerdings auch nicht zu übersehen, daß Politiker, welche die PPP aus Protest gegen ihren Führungsstil früher verlassen haben, nun demütig wieder Einlaß begehren – ein Zeichen der ungebrochenen Ausstrahlung Benazirs.

Was aber Benazirs Wahlchancen, und die Zukunft ihrer Partei, entscheidend beeinflussen könnte, ist ein neuer Faktor in der pakistanischen Politik: Murtaza Bhutto. Der ältere Bruder von Benazir lebt seit 1977 im Exil in Damaskus, von wo er die Untergrundorganisation „Al Zulfiqar“ leitete. Murtaza wurde in Pakistan wegen einer Flugzeugentführung zu einer langen Haftstrafte verurteilt, doch nun versucht die Mutter, Nusrat Bhutto, von den Behörden Straffreiheit für ihren Sohn zu erwirken, damit er zurückkehren und sich an den Wahlen beteiligen kann. Der Kopräsidentin der PPP, die sich mit ihrer Tochter Benazir nur schlecht versteht, wird nachgesagt, daß sie gern ihren ältesten Sohn als politischen Erben Bhuttos einsetzen möchte.

Gefahr droht Benazir aber auch, wenn Murtaza sich, wie er aus Damaskus vernehmen ließ, als unabhängigen Kandidaten aufstellen lassen will. In Interviews warf er der Partei vor, die linke Ideologie von Vater Zulfiqar Ali Bhutto – der 1979 vom Militärregime Zia ul-Haqs hingerichtet wurde – verraten zu haben, ein Vorwurf, der bei vielen Parteikadern auf Verständnis stoßen dürfte.