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Kein Abkommen ohne Option auf Gesamtlösung

■ Interview mit Yasser Abed Rabo, Mitglied des Exekutivkomitees der PLO und einer der Architekten der PLO-Verhandlungslinie, über die Aussichten der Nahost-Friedensgespräche

taz: Herr Abed Rabo, es ist immer mehr die Rede von einer Lösung „Gaza und Jericho zuerst“. Stehen Sie vor einem Abkommen mit den Israelis in dieser Frage?

Abed Rabo: Die Israelis haben uns über unsere direkten und indirekten Kontakte angedeutet, daß sie zu einem solchen Abkommen bereit wären. Aber wir können noch nicht mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, daß es wirklich dazu kommt. Es wird kein Abkommen mit den Israelis über die Zukunft des Gaza-Streifens und Jerichos geben, wenn dies nicht in eine Gesamtlösung für die besetzten Gebiete eingebettet ist. Der Rückzug aus dem Gaza-Streifen und Jericho ist nur ein Schritt in einer ganzen Reihe von Übergangsregelungen.

Wir haben mehrere Bedingungen für die Unterzeichnung eines Abkommens. Da ist vor allem eine gemeinsame Prinzipienerklärung mit den Israelis über die Zukunft der gesamten besetzten Gebiete und die Auflösung der Militärverwaltung und der israelischen Zivilverwaltung. Wir wollen Garantien dafür, daß palästinensische Organe die Funktionen dieser Körperschaften übernehmen. Außerdem fordern wir den Stopp des Siedlungsbaus und den Beginn des Aufbaus einer palästinensischen Infrastruktur.

Und wo sind da die Differenzen zwischen der PLO und den Israelis?

Die Position der Israelis ist in vielen Fragen immer noch unklar: Wie soll der Rückzug aus Gaza und Jericho vonstatten gehen? In welchem Zeitrahmen? Wir fordern eine Frist von drei Monaten. Wie soll Gaza mit Ägypten und Jericho mit Jordanien verbunden sein? Und wie soll die Verbindung zwischen Jericho und dem GazaStreifen aussehen? Wie soll die palästinensische Sicherheitsverantwortung über die Gebiete aussehen? Wir fordern, daß palästinensische Sicherheitskräfte die Verantwortung übernehmen und daß ein Teil dieser Kräfte von außerhalb der besetzten Gebiete kommt.

Wird die PLO-Führung nach Jericho oder in den Gaza-Streifen umziehen, wenn ein solchen Abkommen tatsächlich zustande kommt?

Das wird sicher ein Ergebnis dieses Übereinkommens sein. Die PLO geht jedes Abkommen, das mit dem Schicksal des palästinensischen Volkes zu tun hat, unmittelbar etwas an. Denn wer außer der PLO kann garantieren, daß die Vereinbarungen auch umgesetzt werden...

Gibt es irgendwelche Anzeichen für die Wiederaufnahme der Gespräche zwischen den USA und der PLO?

Die US-Administration nähert sich immer extremistischen Positionen in Israel an, die die PLO ganz aus dem Friedensprozeß heraushaben wollen.

Jordanien hat die Gaza/Jericho-Option stark kritisiert. Auch Syrien hat Vorbehalte angemeldet. Wie sind denn die Beziehungen der PLO zu ihren arabischen Partnern?

Wir haben keine Differenzen mit unseren arabischen Freunden feststellen können. Sie haben den Wunsch zu engerer Kooperation geäußert, und wir wünschen dasselbe. Jordanien hat sich bereit erklärt, die Errichtung einer palästinensischen Selbtverwaltung nicht nur in Jericho und im Gaza-Streifen, sondern in den ganzen besetzten Gebieten zu unterstützen.

Werden Sie das Abkommen zu Jericho und Gaza unterzeichnen, selbst wenn es auf den anderen Verhandlungsfronten keinen Fortschritt geben sollte?

Wir haben uns darauf geeinigt, daß es jeder der arabischen Parteien freisteht, soviel Pluspunkte wie möglich bei den bilateralen Verhandlungen zu sammeln. Aber die Verträge über eine endgültige Lösung sollen kollektiv unterzeichnet werden. Allerdings unterscheidet sich unsere Verhandlungsposition als Palästinenser von der der übrigen arabischen Parteien.

Bei den Verhandlungen zwischen den anderen arabischen Delegationen und Israel geht es genau um diese endgültige Lösung, während wir zur Zeit nur über eine Übergangslösung verhandeln. Wenn wir vor einer endgültigen Lösung stehen, werden wir nicht alleine, sondern nur im gesamtarabischen Rahmen unterzeichnen. Interview: Khalil Abied

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