Engstirniges Klima der Provinz

■ betr.: „Solingens guter Ruf“, taz vom 7.8.93, Leserbrief von Hansjörg Laute, Presse- und Infor mationsamt der Stadt Solingen, taz vom 20.8.93

Der Kommentar des Chefs des städtischen Presse- und Informationsamtes der Stadt Solingen spricht für sich. Er verfolgt offensichtlich die Absicht, Solingens „guten Ruf“ wiederherzustellen. Und zwar genau in dem Schema, das Florian Plödereder so genau beschrieben hat: In Solingen wird von seiten der Stadt fast nichts gegen Rassismus und Neofaschismus unternommen, sondern man geht gegen das Phänomen des organisierten Rechtsextremismus vor, indem zum Beispiel ein Herr Laute Journalisten angreift, die eben darüber berichten.

Aber vielleicht sollten sich die Damen und Herren von der Stadt und insbesondere Herr Laute einmal überlegen, ob ihr Verhalten dem Ruf Solingens nicht eher schadet. Ein Ruhmesblatt ist es zumindest meiner Ansicht nach nicht, wenn Repräsentanten der Stadt Journalisten, die wahrheitsgemäß berichten, in derart unverschämter Art und Weise angehen. Und wenn Herr Laute Florian Plödereder unterstellt, er habe den Oberbürgermeister der Stadt falsch zitiert, so steht auf jeden Fall fest, daß dann dieser Fehler auch seiner „journalistischen Kollegenschaft“ in Solingen, auf die er sich so gerne beruft, unterlaufen ist: So wird nämlich der OB eben mit „Solingen muß wieder strahlen“ auch in einem Solinger Wochenblatt zitiert (Das Solinger, 23.8.93). Katharina Johanning, Solingen

Nach all der „Betroffenheit“ über den Mord an den fünf Türkinnen, die durch die Solinger Presse geisterte, ist es gut, daß es wenigstens außerhalb von Solingen noch eine kritische Presse gibt. Florian Plödereder hat vollkommen recht mit seinem Artikel. Eine gemeinsame stadtweite Diskussion, wie es denn nun in Solingen weitergehen soll, hat nicht stattgefunden. [...]

Wenn auch Solingen keine Hochburg der Nazis ist (Solingen ist halt in allen Dingen Durchschnitt), so existiert doch hier das engstirnige Klima der Provinz, das erst solche Taten möglich macht. Die gleiche Politik, die sich nun in Betroffenheitsadressen geäußert hat, hat zuvor einiges versäumt. Der SPD-Oberstadtdirektor und kommunale Politiker sowie die Lokalpresse haben es auch nicht versäumt, mit unseligen Äußerungen in der Asyldebatte mitzumischen.

Freie Einrichtungen, die integrativ arbeiten, leben am Rande des Arbeitsexistenzminimums. Kulturell konzentriert sich diese Stadt auf Operette und ein bißchen Folkloristik. Es gibt zwar auch ein paar Feigenblätter, aber insgesamt erstickt diese Stadt an einer konservativen Kultur. Anstatt sich nun Gedanken zu machen, wie in dieser Stadt ein anderes Klima entstehen kann und wie auch an die Vergangenheit, auch die jüngste, gemahnt werden kann, überlegt man nun, wie man schnellstmöglich verdrängt. Das Ziel ist die Rückkehr zu einer „Normalität“, die es nie gegeben hat. Diese Illusion sollte eigentich den „Betroffenen“ genommen sein. Auf Kritik und neue Ideen reagiert man in dieser Stadt meistens mit persönlichem Beleidigtsein. So verstehe ich auch den Brief des Leiters des Presse- und Informationsamtes der Stadt Solingen. [...] Das Mahnmal im Kopf, wie es Herr Laute fordert, fordert eigentlich eine Offenheit und auch eine Bereitschaft, sich offen und demokratisch mit Dingen auseinanderzusetzen – auch Kritik –, damit diese Stadt nicht im Mief von provinzieller Intoleranz erstickt. [...]

Mit Millionen soll die Solinger Innenstadt umgestaltet werden. Hierhin gehört ein Mahnmal, am besten von einer türkischen Bildhauerin oder einem türkischen Bildhauer. Die Kriegerdenkmäler aus der Nazizeit stehen ja auch noch in Solingen. Andreas Schäfer, Solingen