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: Ungeheure Macht

„Medientreff in Babelsberg“, ORB, Montag, 21.45 Uhr

Immer schon gab die Funkausstellung Anlaß, auch über die Fernsehprogramme öffentlich nachzudenken – eine nützliche Tradition, um die sich diesmal ORB und NDR bemühen. Viermal versammelten sich die Macher zum „Medientreff in Babelsberg“. Und erneut zeigte sich, wie instruktiv es sein kann, über das Fernsehen zu sprechen. Wo Auslandskorrespondentinnen selbstkritisch über ihre Arbeit reden, lernt das Publikum zugleich etwas über den Unterschied zwischen der Eitelkeit der Männer und der eher sachbezogenen Arbeit der Frauen im Journalismus. Und wenn am nächsten Abend das Verhältnis von Fernsehen und Politik zur Sprache kommt, kann man die neuen Einsichten gleich am konkreten Fall studieren: Peter Glotz, Fritz Pleitgen und Heinz Klaus Mertes sonnten sich als Medienprofis in ihren glatt vorgetragenen Gewißheiten – viel Feind, viel Ehr.

Daß die gezielte Konfrontation zwar Unterhaltungswert besitzt, ein Gespräch jedoch inhaltlich nicht unbedingt voranbringen muß, belegte auch die Sendung über den „Serien-Boom und was Kritikern so mißfällt“. Da saß der unter seiner Intellektualität ächzende Kulturchef des SDR mit der Darstellerin Mareike Carrière zusammen, mit den Medienkritikern Dietrich Leder und Joachim Huber, dem TV-Autor Felix Huby und mit „Mr. RTL“, Helmut Thoma. Zunächst lief der Schlagabtausch zwischen den Kritikern und Thoma/Huby wie vorgesehen. Nur die „Serien nach Mitternacht“ wollte der RTL-Boß „zur Kritik freigeben“, mehr aber nicht: „Da tobt's euch aus!“ Huby geißelte das „Geschmäcklerische“ an den TV-Kritiken, der Kulturchef wähnte im Kommerzfernsehen den „Straftatbestand der Volksverdummung“, Thoma konterte mit dem ARD- Exempel „Gaudimax“. Erst als die Kontrahenten sich gegenseitig zu fragen begannen, was denn wohl verbesserungswürdig sei an der Fernsehunterhaltung, wurden auch die Ambivalenzen der industriellen Serienproduktion deutlich. Plötzlich schwärmte Huby vom ideologischen Potential der Serien („eine ungeheure Macht“), und Thoma mußte sich in die Belanglosigkeit von Medieneffekten flüchten, um am Ende nicht als Verführer dazustehen: „Der Mensch ist kein Meerschweinchen.“ Wohl wahr: Denn bei den Einschaltquoten werden Meerschweinchen nicht mitgezählt. Achim Baum