■ Das Portrait
: J.-B. Aristide

„Man muß gegen die teuflischen Kräfte der institutionalisierten Gewalt den Widerstand organisieren.“ Schon unter der Diktatur Jean- Claude Duvaliers alias „Baby Doc“ machte Jean-Bertrand Aristide, damals Armenpriester in einem Slum-Viertel am Rand der Hauptstadt Port-au-Prince, heute Präsident des Karibikstaates Haiti, wohnhaft in Washington, aus seinem Herzen keine Mördergrube.

Nach dem Sturz der alten Diktatur wurde „Père Titide“, wie ihn seine Anhänger zärtlich nennen, schon bald zum populärsten Führer des kirchlichen Widerstands gegen die neuen Militärmachthaber und 1991 zum Staatschef gewählt. Heute abend nimmt er den Aachener Friedenspreis entgegen.

Aristide hat ein halbes Dutzend Anschläge überlebt. Im September 1988 stürmten an die hundert bewaffnete Maskierte seine Kirche. Dreizehn Gläubige starben, Aristide überlebte, wurde unter dem Druck der Amtskirche aus seinem Salesianer-Orden ausgeschlossen und gewann an Popularität.

Zum Einstieg in die hohe Politik entschloß er sich, als Roger Lafontant, einst Duvaliers Innenminister und per Haftbefehl gesucht, nach Port-au-Prince zurückkehrte und seine Kandidatur fürs Präsidentenamt anmeldete. Auch der streitbare Armenpriester stieg nun in den Ring und gewann im Dezember 1990 mit 67,5 Prozent der Stimmen die ersten freien Wahlen im ärmsten Staat der westlichen Hemisphäre seit über dreißig Jahren.

Im Februar 1991 trat er nach einem mißlungenen, von Lafontant angeführten Putsch sein Amt an.

Père Titide Foto: rtr

Daß es bei der Abrechnung mit dem alten Regime zur Lynchjustiz an den verhaßten Schergen der Diktatur kam, konnte angesichts der traditionell blutrünstigen Politik auf Haiti kaum überraschen. Daß Aristide die Wut des Volkes mitunter auch angeheizt statt gemäßigt hat, wurde ihm sicher übelgenommen. Von der Macht geputscht wurde er sieben Monate nach Amtsantritt aber vor allem, weil die Elite des Landes zu Recht um ihre Privilegien fürchten mußte.

Am 30. Oktober, zwei Jahre nach seinem Sturz, wird Jean-Bertrand Aristide als Präsident nach Haiti zurückkehren – wenn die alten Kräfte nicht im letzten Moment doch noch einen Strich durch die Rechnung machen. Thomas Schmid