Immobilien-Coup vor der Wahl

■ Voscherau boxt Kaufhaus-Coup von Horten und Kaufhof in Geheimsitzungen durch: „Kaufhaus des Nordens“ am Hauptbahnhof   Von Carl Valerie

Die Vorgabe von Bürgermeister Henning Voscherau war unmißverständlich: „Das Projekt muß noch im August durch, vor den Wahlen.“ Gesagt, getan. Am Dienstagabend fiel in einer geheimen, überraschend einberufenen Sitzung des Hauptausschusses des Bezirksamts Mitte die letzte Hürde: Die SPD-Mehrheit segnete gegen die Stimmen von CDU und GAL das gigantische Glas-Projekt „Kaufhaus des Nordens“ ab. Direkt beim Hauptbahnhof, an der Eingangspforte zur Mönckebergstraße, sollen die beiden traditionsreichen Kaufhauskästen „Horten“ und „Kaufhauf“ zu einem gigantischen gläsernen Ensemble verschmelzen. Die alte Straße „Lange Mühren“ wird verkauft, privatisiert, überbaut und eine Ladenpassage.

Das Ja des Hauptausschusses, der voll handlungsfähigen Minivertretung der bereits aufgelösten Bezirksversammmlung Mitte, ist für die Kaufhaus Holding AG, die kürzlich den Horten-Konzern schluckte, Bargeld wert. Noch vor der Wahl am 19. September wird der Großkonzern eine „Vorabgenehmigung“ erhalten – sie gilt vor Gericht (fast) soviel wie eine rechtskräftige Baugenehmigung. Solle ein Koalitionssenat nach der Wahl seine Meinung ändern, hätte die Kaufhaus Holding Anspruch auf Schadenersatz.

Vor der Sitzung des Hauptausschusses hatten Voscherau und Traute Müllers Oberbaudirektor Kossack, der genußvoll von der „kühnen und visionären Architektur“ schwärmt, einen Brocken aus dem Weg räumen müssen: Kultursenatorin Christina Weiß unterstützte anfangs die Bedenken ihres Chef-Denkmalschützers Fischer, der vor der Glasattacke auf den denkmalgeschützten Kaufhof (Baujahr 1913) warnte und sich gegen eine Enthäutung der Eierschalenfassade von Horten wandte. Mit zarten Hinweisen auf den Fortgang ihrer Karriere nach dem 19. September war Christina Weiß jedoch schnell zu überzeugen. Kulturbehörde, Stadtentwicklungsbehörde, Voscherau und Kaufhaus schwärmen jetzt unisono von einem „attraktiven Erlebnisraum“. Besonders glücklich sind die Kaufhaus-Manager über die Chance, Karstadt und Hertie den Rang abzulaufen.

Kritiker des Coups stören sich nicht allein an der Geheimdiplomatie und an denkmalschützerischen Fragezeichen. Im Vordergrund steht die Privatisierung der Langen Mühren: In den bisherigen Stadtentwicklungskonzeptionen, vor allem dem sogenannten „Gestaltungsrahmen“ für Lange Mühren und Mönckebergstraße von 1987, wurde der kleinen Straße eine ganz andere Rolle zugewiesen: Sie sollte Herzstück einer Achse von der Elbe zur Alster werden, insbesondere Verwaltungen, Geschäfte und Büros des Geesthangs fußgängerfreundlich in die City einbinden.

Bedenken löst auch die Architektur aus. Die Orgie in Glas, so warnen Ökologen, bedeute eine immense Energieverschwendung, da Dämmung kaum noch möglich sei: Der heutige Horten-Teil des „Kaushaus des Nordens“ soll eine Glasfassade erhalten, die den freien Blick auf einen guten Teil der zukünftig 30.000 Quadratmeter Verkaufsfläche ermöglichen würde. Zudem sollen noch zwei Parkdecks integriert werden.

Trotz des bislang erfolgreichen Coups prophezeien einige Kritiker Voscherau, Kaufhaus Holding & Co einen Flop: Das Projekte könnte an den Kosten scheitern. Allein die erforderliche Neuverlegung von Ver- und Entsorgungsleitungen koste 5 bis 6 Millionen Mark, und die Lange Mühren müsse Kaufhof zu weltmarktüblichen Preisen kaufen.

Da könnten bislang noch unkalkulierte dreistellige Millionenbeträge auf die Kaufhauskette zukommen.