■ Dokumentation
: „Kein Platz für Volksverhetzung“

NDR-Mitarbeiterin Astrid Dieckmann-Schrader wurde 1991 vom Sender abgemahnt, weil sie nicht an der Ausstrahlung eines Wahlspots der „Republikaner“ mitwirken wollte. Ihr „Fall“, der arbeitsgerichtlich noch nicht beendet ist, dürfte den NDR-Intendanten und ARD-Chef Jobst Plog zu seiner Initiative gegen Wahlspots bewogen haben. Dieckmann-Schrader sprach am Montag abend auf einer Kundgebung der IG Medien, bei der 100 GewerkschafterInnen vor dem NDR-Funkhaus ihre Solidarität mit Dieckmann- Schrader demonstrierten. Am Montag wurde auch der erste Rechts-Spot im Hamburger Wahlkampf ausgestrahlt. Wir dokumentieren Dieckmann-Schraders Rede in Auszügen:

[...] Ob im Fernsehen oder Radio – öffentlich-rechtlich oder privat – ob in Zeitungen, Büchern, Broschüren –, nirgends darf es Platz für Volksverhetzung geben. Und erst recht nicht dürfen Menschen in Rundfunkanstalten, Verlagen, in Druckereien, in Buchbindereien, bei der Post oder wo auch immer, durch Arbeits- oder Staatsverträge gezwungen werden, braune Soße zu verschütten. Mit eurer Solidarität befindet Ihr euch übrigens in guter Gesellschaft – mit Hamburgs Erstem Bürgermeister Henning Voscherau, der sich am Freitag öffentlich mit mir solidarisiert hat. Ich weiß leider nicht, wie er das gemeint hat. Denn auf Wahlspots verzichtet hat er nicht.

Das aber ist Voraussetzung dafür, daß der Paragraph 15, mit dem die Rundfunkanstalten zur Ausstrahlung verpflichtet werden, aus dem Staatsvertrag [NDR-Staatsvertrag, d. Red.] gestrichen wird, damit Faschisten nicht weiterhin demokratisches Recht für sich in Anspruch nehmen können. Es ist, wie Friedrich Wilhelm Nietzsche sagte: „Unsere Pflichten – das sind die Rechte anderer auf uns.“

Die Parteien haben ein Recht auf den NDR als Werbeträger, und der NDR hat ein Recht auf seine Beschäftigten als Pflichterfüller. Eine Abteilung im großen Politiker-Selbstbedienungsladen. Die Politikerinnen und Politiker sollen aufhören, Zivilcourage immer nur zu fordern, sondern endlich selbst Zeichen setzen. [...] Wie hoch muß die Zahl der Toten sein, damit den hehren Worten endlich Taten folgen? Je mehr Opfer zu beklagen sind, desto lauter werden die Rufe nach Zivilcourage. Die muß dann aber bequem sein, darf niemanden stören. Mit 'ner Kerze an die Alster, und wenn das Licht aus ist, gehen wir zufrieden nach Hause. Bloß nicht geltendes Recht, Gerichtsurteile [...] in Frage stellen!

Dieses Verständnis von Demokratie, Rechtsprechung und Pflichterfüllung motiviert nicht, sondern macht die Menschen ängstlich. So erzieht man [...] schleimige Duckmäuser. Wenn die Forderungen nach Zivilcourage ernst gemeint sind, wenn Sie, Herr Voscherau, Ihre Solidarität beweisen wollen, dann machen Sie den Anfang![...] Verzichten Sie auf Sendezeit für Wahlversprechen, die doch nicht gehalten werden! [...]