■ IFA-Splitter
: Schlicht & schlecht

„Gefühle zurück!“ plärrt der Sänger, und noch einmal: „Gefühle zurück!“ Lässig läßt er nun das Mikro baumeln, lächelt und wartet auf den nächsten Einsatz. Da erscheint die neue Schrift auf dem Monitor: „Gefühle zurück!“. Der Backgroundchor von der Laserdisk jauchzt mit, und die Mädels auf der Videowand lächeln synchron. Laser-Karaoke-Player CLD-150K fürs Wohnzimmer, Pioneer, 1.999 Mark. „Nicht schlecht“, nicken wir, „aber noch nicht schlecht genug“ – und lassen uns weiter über die Funkausstellung treiben.

„Wollen Sie es erleben?“ fragt die Frau und führt uns hinter einen Wandschirm. Wir setzen die Brille auf, und in unserem rechten Auge läuft ein Footballspiel, während die Frau uns durch die Brillengläser hindurch anlächelt. Virtual Vision Sportbrille für 2.000 Mark, damit man auch beim Rasenmähen Fernsehen kann. „Nicht schlecht“, sagen wir der Frau. – „Ideal auch für Ihr Camping-Mobil“, sagt der Mann und zeigt auf den Bildschirm-Erdball. „Sie können sehen, wie sich das Wetter aus der Sicht des Weltraums über Ihrem privaten Baggersee entwickelt.“ MST 100-Meteosat-Wolkenkino für zu Hause, Grundig, 2.498 Mark. „Schon ganz schön schlecht“, denken wir. – „Sie müssen es erleben!“ sagt die Frau und lächelt. Ihr Mann führt uns in einen dunklen Raum. „Spüren Sie die Gänsehaut?“ fragt er und lächelt seinerseits, als uns Orgelpfeifen mit Hilfe zweier mannshoher Monolithe direkt ins Hirn blasen. „Schon recht“, denken wir, „aber nicht schlicht genug“: The Sovereign, teuerster Verstärker der Welt, High End Vertriebs GmbH, 125.000 Mark.

Sie lächeln uns zu, doch sie können uns nicht gewinnen, mit ihrem sprechenden Laptop für Kinder, mit dem Videorecorder, der unsere Sprache versteht, mit der Auto-Hi-Fi-Anlage aus San Francisco, die „Earthquake“ heißt. Doch da ist es, in Halle 2: schlicht und doch schlecht, ein kleines, nüchternes, aber zierliches Gehäuse. Die Atom-Uhr für die Küche. Nie wieder zu harte Eier, von nun an für immer auf die Milliardstel Sekunde ausgekocht: RG 389 Siemens, 299 Mark. Und wir lächeln uns an.

Jochen Wegner