Kommerzielle Kontrolle

■ Privatfunker bieten millionenschweren "Deutschen Jugendschutzrat" an

Berlin (taz) – Am späten Donnerstag abend vergangener Woche hatte Ursula Adelt, Geschäftsführerin des Verbandes Privater Rundfunk und Telekommunikation (VPRT), das Plazet aller Kommerz-TV-Chefs unter Dach und Fach. Kein leichtes Unterfangen für die Frau vom Dachverband der Privaten in den hektischen Tagen vor Beginn der Funkausstellung. Die Obergurus der Kommerzsender hatten sich entschlossen, zweieinhalb Millionen Mark für ihre neueste PR-Offensive bereitzustellen: eine freiwillige Selbstkontrolle der Fernsehanstalten – genannt „Deutscher Jugendschutzrat“ –, die über die Gewaltdarstellungen im Fernsehen wachen soll – nicht nur bei den Privaten.

Auch wenn dieser Betrag sogar den Jahresetat ihres Dachverbandes übersteigt, es sieht nicht so aus, als müßten die privaten Fernsehanstalten dieses Geld auch wirklich lockermachen. Eine Bedingung, an die Jürgen Doetz, Sat.1-Geschäftsführer und VPRT-Vorsitzender, die Arbeitsaufnahme dieses Gremiums knüpft, ist nämlich die, daß die Medienpolitiker entsprechende Sanktionskompetenzen von den Landesmedienanstalten an diesen freiwilligen Zusammenschluß abtreten sollten.

Gemecker über „Sondersteuer“

Überhaupt sind die Landesmedienanstalten einmal mehr ins Visier des VPRT geraten. Vehement will sich Doetz dagegen wehren, daß – wie in den Entwürfen für neue Landesrundfunkgesetze von Schleswig-Holstein, Niedersachsen und nun auch in Hessen vorgeschlagen – die privaten Rundfunkveranstalter eine dreiprozentige Abgabe auf ihre Werbeeinkünfte zahlen sollen. Mit diesen Geldern wollen die jeweiligen Landesregierungen insbesondere Medienexperimente wie Offene Kanäle und nichtkommerzielle Lokalradios finanzieren. „Das erste Verbandsmitglied, das einen derartigen Gebührenbescheid erhält, bekommt von uns vollen Rechtsschutz bis zum Bundesverfassungsgericht“, so Doetz. Er sieht in dieser Abschöpfung der Gewinne bei den blendend verdienenden Kommerzsendern eine verfassungsrechtlich unzulässige „Sondersteuer“.

Und den Hals voll an Werbegeldern haben die Privaten längst noch nicht. „Aus kommerziellen Erwägungen“ richtet sich der VPRT gegen das Verbot von Parteienspots, wie es angesichts der Neonazi-Kandidaturen derzeit vor allem bei ARD, ZDF und in der Medienpolitik diskutiert wird. Im Superwahljahr 1994 rechnen die Kommerziellen anscheinend mit guten Aufträgen von seiten der Großparteien für zusätzliche Werbung neben den kostenlos auszustrahlenden Pflichtspots – und das, obwohl Gerichte schon einmal den großen Parteien den Ankauf zusätzlicher Werbezeit in privaten Fernsehprogrammen untersagt haben.

Das Geld, das die Privaten auf der einen Seite verdienen, sind sie nicht bereit, auf der anderen Seite in die technologischen Innovationen der 90er Jahre zu investieren.

Erst mal kassieren und nicht investieren

Aus der Sicht von Sat.1-Mann Doetz zeigen die kommerziellen Fernsehstationen keinerlei Bereitschaft für einen Einstieg in die Ausstrahlung von Breitbildfernsehen nach dem PAL-plus-Standard ab 1995 (kompatibel mit dem heutigen Fernsehbild und daher von jedem Zuschauer empfangbar). Fehlanzeige auch beim digitalen Hörfunk, dem Radiosystem DAB.

Lediglich in den internationalen Normungsgremien für das digitale Fernsehen sind einige kommerzielle Sender vertreten – nicht um an vorderster Front mitzumachen, sondern um beim Stand der technologischen Dinge auf dem laufenden zu bleiben und ihre Interessen insbesondere gegenüber den Geräteherstellern und Satellitenbetreibern zu wahren. Jürgen Bischoff