Ein Pardon für den britischen Lord

■ Izetbegović hatte den Medien zuviel über seine Unterredung mit Owen berichtet

Genf (taz) – „Sie benehmen sich, als hätten Sie den Krieg gewonnen, doch sie haben ihn verloren“, habe David Owen zu ihm gesagt. Das berichtete Bosniens Präsident Alija Izetbegović seinen beiden Pressesprechern Mirza Hajric und Lee Bryant nach einem Treffen mit dem EG-Vermittler am Dienstag nachmittag. Sprecher Hajric verbreitete die Episode unter den Journalisten im Genfer UNO-Palast. Am Abend berichteten Medien in aller Welt darüber. Lord Owen sah's im britischen Fernsehsender Channel 4 – und tobte.

Nach einem lautstarken Wortwechsel per Telefon sowie einem erneuten Treffen zwischen Owen und Izetbegović rückte der bosnische Präsident von seiner Darstellung ab. Pressesprecher Hajric wurde als der Schuldige ausgeguckt und mußte am Mittwoch morgen mit Owens Sprecher John Mills einen Entschuldigungstext ausarbeiten. Nach acht Entwürfen war Owen schließlich zufrieden, und Hajric mußte den Text vor den Mikrofonen aus aller Welt verlesen – während der nebenstehende Mills darauf achtete, daß Hajric sich auch ja an die aufgeschriebene Formulierung hielt.

Der für alle Beteiligten peinliche Vorgang zeigt den ungeheuren Druck, unter dem der bosnische Präsident steht. Um wenigstens noch eine seiner drei verbliebenen Territorialforderungen gegenüber den Serben und/oder den Kroaten durchzusetzen, ist Izetbegović auf die Unterstützung der beiden Vermittler angewiesen. Er kann in Sarajevo auf keinen Fall dieselbe, unveränderte Landkarte vorlegen, die das bosnische Parlament am Wochenende abgelehnt hat.

Am Dienstag abend hatte er noch erklärt, es habe „keinerlei Fortschritte bei den Landkartenverhandlungen gegeben“. In die Verhandlungen schalteten sich zwischenzeitlich Präsident Clintons Bosnien-Beauftragter Charles Redman ein, der den bosnischen Serbenführer Radovan Karadžić bei einem Treffen aufforderte, noch drei bis vier Prozent Land an die Muslime abzugeben.

Unerwartet dünn war auch das Ergebnis der Begegnung zwischen den Generalsekretären von UNO und Nato, Butros Ghali und Manfred Wörner. Statt der erwarteten Bekanntgabe, daß die Nato ein Truppenkontingent von bis zu 50.000 Soldaten zur Durchsetzung und Überwachung eines Abkommens nach Bosnien schicken werde, gab es nur zwei nichtssagende Statements über ein „konstruktives Gespräch“.

Am Dienstag abend hatten sich Izetbegović und Karadžić auf fünf „vertrauensbildende“ Maßnahmen geeinigt: die sofortige Einstellung aller Kampfhandlungen; den Austausch sämtlicher Gefangenen; die Einrichtung eines „Roten Telefons“ zwischen den beiden militärischen Hauptquartieren in Sarajevo und Pale; die Einrichtung einer gemeinsamen Kommission zur Wiederherstelleung der Wasser-, Elektrizitäts und Gasversorgung; sowie einen Appell an die lokalen Medien, sich jeglicher Feindpropaganda zu enthalten. Eine Umsetzung dieser Maßnahmen könne die Verhandlungen über die territorialen Streitfragen erleichtern, hieß es. Doch gestern wurden aus ganz Bosnien neue Kämpfe gemeldet. Andreas Zumach