Damals in SO 36
: Stattbau und die Autonomen

■ Immer wieder hatte der Sanierungsträger gegen den Ruf eines „Integrationsprojektes“ zu kämpfen

Wäre in Kreuzberg noch alles beim alten, könnte der zehnjährige Stattbau-Geburtstag nicht nur Anlaß zur Freude, sondern auch von Kritik sein. Schließlich war die Gründung der Firma von Anfang an als „Integrationsprojekt“ argwöhnisch beobachtet worden. Aber auch die „Politik von oben“ setzte den Kreuzberger Alternativ-Sanierern von Beginn an zu: Noch vor Abschluß des Sanierungsvertrags im Besetzer-Block 103 tönte die CDU, damit würde mit tatkräftiger Hilfe von Stattbau eine „Schutzzone der Gewalt“ errichtet. In der Folge gab es nicht nur immer wieder Ärger mit den BewohnerInnen der Stattbau-Häuser, sondern auch mit der autonomen Szene. So wurde der Nachfolgerin des scheidenden Geschäftsführers Behrens, der späteren Kreuzberger Baustadträtin Franziska Eichstätt, im März 1985 vorgeworfen, sie vertreibe in ihrer Position als Hausbesitzerin einen Mieter im Westend. Der „betroffene“ Mieter freilich rückte die Dinge gerade: Falschmeldung. Ende 1987 eskalierte dann der schwelende Konflikt zwischen den Vertretern der reinen Lehre und denen, die sie verraten haben sollen: Im September 1987 wurde dem alternativen Sanierungsträger vorgeworfen, er denke nach dem Abschluß der Sanierungsarbeiten im Block 103 nicht an seine (eigentlich vorgesehene) Auflösung, sondern entwickle sich zur „alternativen Neuen Heimat mit Sozialarbeiteranspruch“. Kurze Zeit später, im Januar 1988, verwüstete eine militante Gruppe namens „Ghostwriter“ die Stattbau-Räume in der Kreuzberger Naunynstraße. Zur Begründung hieß es: „Die Aufgabe von Stattbau war von Anfang an Spaltung, Aufstandsbekämpfung und Rekrutierung von Arbeit.“ Außerdem, so das Bekennerschreiben, sei die Stattbau-Geschäftsführerin Franziska Eichstätt als Mitarbeiterin des „Deutschen Instituts für Urbanistik“ (DIFU) verantwortlich für den „Klassenkampf von oben“. Eichstätt, die eine angebliche Mitarbeit im DIFU stets bestritten hatte, trat daraufhin zurück, weil sie eine Distanzierung der Stattbau-Bewohner vom Anschlag vermißte. Ihr damaliges Fazit: „Der Anspruch von Stattbau, daß die Bewohner die Ziele des gesamten Unternehmens mit beeinflussen, ist gescheitert.“ Nach dem Mauerfall ist es um Stattbau ruhig geworden. Heute betreut der treuhänderische Sanierungsträger nicht nur marode Häuser, sondern auch die Renovierung so unweltlicher Gebäude wie Kirchen und die Bausubstanz der brandenburgischen Stadt Nauen. Als Geschäftsführerin wieder mit dabei: Franziska Eichstätt. wera