Codewort „Abtreibung“ stand für Schmuckraub

■ Ilona Hepp: Anklage „schwachsinnig“ / Keinen Killer engagiert, aber Tod des Bruders billigend in Kauf genommen

Die ehemalige AL-Politikerin Ilona Hepp hat bei der Neuauflage des Prozesses abgestritten, aus „Habgier“ – so die Anklage – den Tod ihres Bruders geplant zu haben. In einer mehrstündigen Darstellung zu Beginn des zweiten Prozesses zeichnete sie statt dessen das Bild eines angeblichen Mafia- Komplotts gegen ihren Bruder und seine damalige Freundin. Wegen der zahlreichen Kontakte ihres Bruders mit der Unterwelt habe sie die Mordabsicht als absolut ernst angesehen, als ein ihr unbekannter Mann sie Ende Juli 1992 in ihrer Wohnung besuchte und die Ermordung des Bruders ankündigte. Dieser Mann habe ihr überzeugend dargelegt, der Tod des Bruders sei nicht mehr zu verhindern. Deswegen sei sie auch nicht zur Polizei gegangen. Sie habe lediglich 50.000 Dollar an den Killer gezahlt, um das Leben der Frau zu retten. Zur Erklärung führte sie an, daß ihrem Bruder im Zusammenhang mit einer Auseinandersetzung im Prostituierten-Milieu bereits vor einigen Jahren mit dem Tod gedroht worden war. Sie gestand indirekt zu, daß sie den Tod des verhaßten Bruders billigend in Kauf genommen hätte.

Die Anklage wirft ihr dagegen vor, sie habe einen „Killer“ engagiert, weil sie das Millionenerbe ihrer Mutter nicht mit dem Bruder habe teilen wollen. Ihr Bruder, der von seiner Freundin über den Mordplan informiert wurde, hatte einen Freund als angeblichen Killer zu Ilona Hepp geschickt. Bei der Übergabe des vereinbarten Honorars am 1. August 1992 war die Politologin verhaftet worden.

Die achtunddreißigjährige Ilona Hepp schilderte ihren Bruder in einer weitschweifigen und teilweise wirren Darstellung als gänzlich lebensuntüchtigen Menschen. Der in Essen lebende 43jährige Kunsthistoriker Nicolas Hepp habe in seinem Leben ungeachtet des Doktortitels nichts zustande gebracht, verkehre seit Jahren in Rotlicht-Kreisen und sei ständig in finanziellen Schwierigkeiten. Sie habe mit ihrem Bruder, der sie mit einer Art Haß-Liebe verfolgte, seit Jahren nichts mehr zu tun haben wollen. Dennoch habe sie seine Casino-Rechnungen von 20.000 Mark als auch 50.000 Mark „Ablöse“ für eine Prostituierte bezahlt. Beim Tod der Mutter im Dezember 1991 habe sie ihm 5.000 Mark zukommen lassen, damit er nach Berlin reisen könne.

Nach der Beerdigung habe er den Familienschmuck im Wert von 300.000 Mark sowie eine Münzsammlung heimlich entwendet. Den Diebstahl des Schmucks will Ilona Hepp als „Schändung“ der Mutter empfunden haben. Fortan habe sie sich bemüht, über die Freundin des Bruders den Schmuck zurückzuerhalten. Sie gestand auch zu, sie habe aus Rache den Bruder „ruinieren“ wollen. Fortan sei „Abtreibung“ das Stichwort für die Schmuckbeschaffung gewesen, erklärte Ilona Hepp. Dafür habe sie Marita L. zunächst 10.000 Mark gegeben und bei Auftragserfüllung weitere 50.000 Mark versprochen.

Die Staatsanwaltschaft geht indessen davon aus, daß Hepp die Ex-Prostituierte mit der Suche nach einem Killer beauftragte und „Abtreibung“ für den geplanten Tod des Bruders stand.

Der Prozeß, der Ende April wegen Ermittlungsfehlern der Kripo platzte, wird am kommenden Dienstag mit der Vernehmung des Bruders fortgesetzt. Gerd Nowakowski