Nebenan auf der Bundesratsbank

■ Joschkas Lehrstunde für Hamburgs Politiker – fast ohne Öffentlichkeit     Von Uli Exner

Sie hatten ihn ja doch äußerst geschickt verborgen, unsere herzigen Grünen. Kein Plakat, kein Flugblatt: Gerade mal zwei kleine Anzeigen kündigten den Höhepunkt des GAL-Wahlkampfs an. Igitt, das hätte ja in Personenkult ausarten können. Bloß nicht. Dann lieber heimlich, still und leise, an einem möglichst unwirtlichen Ort. Ein Uni-Hörsaal zum Beispiel, da kommen garantiert nicht viele! Genau, der Hörsaal des pädagogischen Instituts, da läßt sich der Joschka Fischer doch prima verstecken. Schade eigentlich. Nö, nicht wegen der paar Zuschauer mehr oder weniger. Auch nicht unbedingt wegen der grünen Stimmenanteile. Nö, das nicht. Aber vielleicht wäre ja noch der ein oder andere Hamburger Politiker hinzugekommen. Denn: Es gab etwas zu lernen, und deshalb war dieser ellenlange Vorspann auch nicht ganz uneigennützig.

Joschka Fischer demonstrierte dem von der vergangenen Legislaturperiode doch arg ernüchterten Parlamentsberichterstatter am Donnerstagabend, wie interessant Demokratie sein könnte, wie politische Beiträge sachlich und dennoch mit hohem Unterhaltungswert ausgestattet sein können. Ehrenwort. Zwei bis drei Politiker dieses Kalibers in der Bürgerschaft und die taz-Reporter würden Sitzung für Sitzung bis zum allerletzten Tagesordungspunkt ausharren.

Satt, mit einer Ausstrahlung, die zwischen Selbstzufriedenheit, Langeweile und der Sehnsucht nach einem guten Bordeaux hin und herpendelt, fläzt sich Hessens Umweltminister im kargen Uni-Gestühl und läßt sich von Krista Sager ein wenig unterhalten. Nicht etwa, daß Fischer den Eindruck erwecken würde, zuzuhören! Fahrig schweift sein Blick über die allseits holzverschalten Hörsaalwende. Muß ich jetzt wirklich ausgerechnet hier sein? Fast unhöflich, dieser (geschätzt) 188Pfünder, der sich nun hinters Rednerpult schiebt....

Brillante Eröffnung mit demagogischem Ellenbogencheck gegen die CDU (“neue Ideen? Ausgerechnet die? Realsatire“). Gefolgt von treffender Analyse der Unionswahlkämpfe in München und Hamburg (Angst vor Kriminalität als neuer Popanz). Schließlich Entlarvung: „Wer war denn eigentlich verantwortlich für die innere Sicherheit in den letzten zehn Jahren?“ Und schließlich als logische, dennoch nun wieder demagogisch zugespitzete Pointe: „... bräuchten wir zur Bekämpfung der Kriminalität keinen Lauschangriff, sondern eine neue Regierung.“

Das Muster wiederholt sich, was zumindest der Triftigkeit der Analyse keinen Abbruch tut. Fischer hat keine Ahnung von Hamburg, aber indem er seine Rhein-Main-Beispiele abstrahiert, auf den Kern zurückführt, malt er ein treffendes Bild von der politischen Ausgangslage in der Hansestadt. Verkehrsverbund, Energie, Rechtsradikalismus, Privatisierung.

Und natürlich: „Die SPD im Rückwärtsgang.“ Back to the fifties, das verbindet Hans Eichel mit Henning Voscherau und Henning Voscherau mit Helmut Schmidt. Und wenn er den hört, bekommt Fischer immer noch Schüttelfrost.

Trotzdem. Na klar. Rotgrün, das muß sein, um dafür zu werben, ist er ja hergekommen. Voscheraus Grünen-Allergie? Naja. Fischer schmunzelt breit: „Der Voscherau sitzt im Bundesrat direkt neben mir. ein schwieriger, aber ein möglicher Koalitionspartner.“