Warte, warte nur ein Weilchen...

■ Spannend: Methusalem-Modernist H.C. Artmann las und spielte im Literaturhaus

Eine Lesung von und mit H.C. Artmann hatte schon immer eher Ereignischarakter: Der gebürtige Wiener war in den 50er und 60er Jahren in deutschsprachigen Literaturkreisen ein gefeierter „Hexenküchenmeister der Avantgarde“, den 1958 seine Dialektgedichte schlagartig bekannt machten. Er bewegte sich im Dunstkreis der „Wiener Gruppe“, die die österreichische Nachkriegsliteratur prägte, die ihr Publikum aber auch gerne mit Schelmenstreichen in dadaistischer Tradition verunsicherte, wie bei den „poetischen Demonstrationen“ durch die Wiener Innenstadt.

Im Hamburger Literaturhaus wollte nun ein überwiegend leicht ergrautes Publikum überprüfen, ob der inzwischen 72jährige Methusalem-Modernist immer noch für einen spannenden Abend einstehen kann. Schließlich hatte „der H.C.“ vorher versprochen, er würde „wilde Grimassen ziehen und mit den Händen in der Luft herumfuchteln“. In der Tat, er kann es noch: Mit vornehmlich Assozativ-Amüsantem aus seinem über 1000 Seiten umfassenden Gesamtwerk, das demnächst im Renner Verlag erscheint, begeisterte der sich immer noch weiterentwickelnde Lyriker sein Publikum.

Artmann erfindet die Schöpfungsgeschichte neu, entlarvt die erste Sintflut als durch den niesenden heiligen Geist verschuldet, der sich hinter einer Regenwolke versteckt hatte, um nackte Frauen beim Baden zu beobachten. Er erzählt surrealistische Geschichten wie die von der Ankunft der ersten Teekanne in Amerika - auf dem Seeweg nämlich - und dem tragischen Ende von Nuniak und Nuk, den lebenden Bürsten. Seine gruseligen Kindergedichte trägt er wie kleine Hörspiele vor, ganz der böse Onkel, der den lieben Kleinen genüßlich von Werwölfen, Draculas und Fledermäusen erzählt, bevor er sie abmackelt. Sein Motto: Warte, warte nur ein Weilchen, dann kommt Artmann auch zu dir...

Die Alten begeistert er eh, warum nicht auch die Jungen? Und wer Max Gold mag, dem gefällt auch Artmann. Birgit Maaß