Ungeöltes Grillenzirpen

■ Eröffnung der Jani-Christou-Woche beim Musikfest mit den NDR-Sinfonikern

Während einige der Zuschauer noch ihre Erkältungskrankheiten zum Besten geben, beginnt ein diffuses Zirpen vieler Geigen leise die Musikhalle zu erfüllen. Langsam steigert sich die Lautstärke, Störgeräusche von Pizzikati und „richtigen“ Tönen brechen vereinzelt in die Geigenbalz ein. Wie ungeöltes Grillenzirpen klingt das NDR-Sinfonieorchester auf halber Lautstärke, zur Amplitude hin hätten auch rostige Rohre ineinander gedreht die Klangaufgabe gelöst. Dann beendet ein blecherner Schrei der Bläser das erste Intervall und angstvoll leise erheben die Streicher wieder ihr hohes Sägen. An späteren kompositorischen Drängpunkten spielt ein Schlagzeuger kurze Jazzpattern, trommeln die Bassisten auf ihren Corpi und senden die Bläser klagende Wellen über die unbeirrt Zikade spielenden Streichergruppen. Plötzlich erheben sich einige Orchestermusiker im lauten Rufen und gestikulieren unbeholfen. Die ihnen von Jani Christou, dem Komponisten dieses Werkes, zugewiesene theatralische Nebenrolle versuchen sie mit Humor zu nehmen.

Mit der deutschen Erstaufführung von „Enantiodromia“ von 1968 begann am Donnerstag abend die Jani-Christou-Woche während des diesjährigen Musikfestes. Erweitert um zwei frühere Kompositionen des jung verstorben und bisher kaum bekannten griechischen Komponisten, die bei weitem nicht diese Intensität und bizarre Dichte erreichten, eröffnete Horst Neumann in der nur mäßig gefüllten Musikhalle einen Zyklus von fünf Konzerten mit Werken des Neuerers, der im Geiste von C.G. Jung mit seinen Werken den Schlüssel zum Unterbewußten suchte. Bis zum nächsten Donnerstag wird ein großer Ausschnitt aus seinem Oevre vorgestellt.

Die Donnerstag abend präsentierten Werke belegten drei verschiedene Phasen im Schaffen Christous. Vom ersten, noch stark von Alban Berg und Strawinsky beeinflußten Orchesterwerk „Phoenix Music“ (1949) über ein Pfingsoratorium, dessen anitmelodiöser Zwang gelegentlich recht quälend wirkte, bis zu jenem „Enantiodromia“, das eine völlig orginäre Tonsprache Christous bewies, offenbahrte sich ein ungemein breites kreatives Spektrum, das Neugier auf die weiteren Konzert weckte. Till Briegleb