Nach einem Jahr war die Luft raus

■ Rechtsextreme im Kieler Landtag: Streit ums Geld, Parteiaustritte und ein ganzer Haufen Kleiner Anfragen Aus Kiel Kersten Kampe

Nach nur einem Jahr existiert im Kieler Landtag die Fraktion der rechtsextremen Deutschen Volksunion (DVU) nicht mehr. Bei der Landtagswahl im April 1992 bekamen sie mit Parolen wie „Anatolien den Türken! Schleswig-Holstein den Deutschen“ 6,3 Prozent der Stimmen und damit sechs Sitze im Parlament. Knapp ein Jahr später, Ende Mai 1993, hatte die Rechtsradikalen ihren Fraktionsstatus bereits verloren.

Das Ende der Fraktion hatte seinen Ursprung in einem Streit zwischen dem Kieler Fraktionsvorsitzenden Ingo Stawitz und dem DVU-Bundesvorsitzenden Gerhard Frey. Der Verleger rechtsradikaler Zeitungen aus München wollte Stawitz aus der Partei werfen – wegen „schwerem Verrat an der DVU und ihrem Programm“. Vorgeworfen wurde Stawitz unter anderem, „die DVU in das Licht von Neonazismus und Rassenhaß“ (sic!!) gebracht zu haben sowie die Veruntreuung von Geldern.

Im Gegenzug beschuldigte der Fraktionsvorsitzende seinen Münchner Parteichef, daß es dem nur ums Geld ginge. Nach Stawitz' Angaben sind von den Kieler Abgeordneten-Diäten mehr als 180.000 Mark nach München geflossen, zusätzlich etwa 90.000 Mark für Anzeigen in den Blättern des Verlegers. Zudem sei der Fraktion von München ein allmächtiger Geschäftsführer aufgezwungen worden, so der Vorwurf der Kieler.

Die Fraktion stellte sich hinter ihren Vormann, bis auf eine Ausnahme. Die Abgeordnete Renate Köhler blieb Frey treu. Die anderen fünf verließen die Partei.

Um ihren Fraktionsstatus zu erhalten, ohne den ihnen nach eigenen Angaben rund 900.000 Mark jährlich aus der Landeskasse fehlen würden, versuchten die fünf Abgeordneten bei den Republikanern Unterschlupf zu finden. Doch der Übertritt scheiterte. Rep-Landesvorsitzender Peter Michael Jansen teilte in einer Pressemitteilung mit, „nach Rücksprache mit dem Bundesvorsitzenden Franz Schönhuber“ sei die Landespartei zu der Auffassung gelangt, daß ein Übertritt der DVU-Fraktion nicht kommen darf“, aufgrund eines Unvereinbarkeitsbeschlusses.

Die parteiinternen Auseinandersetzungen lähmten die Abgeordneten im Frühjahr so, daß den Rechtsradikalen vollends die Luft für „politische“ Arbeit ausging. Im Landtagsalltag, in den Ausschüssen, hatten sie sich allerdings auch vorher kaum beteiligt. Sie überhäuften das Parlament lieber mit kleinen Anfragen, Anträgen und nutzten die Landtagssitzungen als Agitationsbühne für ihre braunen Thesen. Einige Beispiele: Landkarten, die Deutschland in seinen „rechtmäßigen Grenzen“ zeigen, sollten an den Schulen verteilt und die Lehrer angehalten werden, über „den völkerrechtswidrigen Raub deutschen Landes zu berichten.“ Mißbilligen sollte der Landtag, „daß die Landesregierung etwa 1600 Asylbewerber über die Landesquote hinaus zusätzlich aufgenommen hat“. Die kleinen parlamentarischen Anfragen hatten ähnliche Inhalte: „Wie oft wurden seit dem 1.1. 1990 Bürger deutscher Staatsangehörigkeit Opfer von Straftaten durch Asyl-Ausländer? Ist die Landesregierung der Auffassung, daß durch die weitere Zuwanderung von Scheinasylanten die Wohnungsnot verschlimmert wird? Wie hoch sind die Sachschäden, die von Asylbewerbern in Asylunterkünften angerichtet werden?“

In der Mai-Sitzung des Landtages fand sich dann nur noch ein Antrag der DVU, und auch der war noch aus vorherigen Sitzungen übriggeblieben.Aber auch nach der Sommerpause dreht es sich bei den rechtsextremen Politikern wieder hauptsächlich ums Geld. Da sich nur drei Ex-DVU-Abgeordnete entschieden, Mitglied der,ebenfalls rechtsradikalen Deutschen Liga zu werden, verloren sie ihren Fraktionsstatus, für den im Kieler Landtag mindestens vier Abgeordnete vorgesehen sind. Die drei haben für sich einen Gruppenstatus und damit finanzielle Unterstützung beantragt. Der Innenausschuß beauftragte vergangene Woche den wissenschaftlichen Dienst, eine Entscheidungshilfe vorzubereiten und dabei auch das sogenannte „Gruppen-Urteil“ des Bundesverfassungsgerichtes zum Status der PDSim Bundestag zu berücksichtigen.