Nachhilfe fürs stille Örtchen

■ Abführmittel gehören zu den meistgeschluckten Medikamenten / Fast immersind sie überflüssig, viele stehen gar im Verdacht, das Erbgut zu schädigen

Wer kennt das nicht: Gerade hat man sich mit einem guten Schmöker aufs Klo verzogen, da klopft nach fünf Minuten ein ungeduldiger Mitbewohner an die Tür. Kein Wunder, daß es da – wenn auch sonst Streß und Hektik den Alltag diktieren – mal nicht klappt.

Etwa ein Drittel der Bevölkerung greift darum zu Abführmitteln. Besonders beliebt sind Präparate mit anthrachinonhaltigen Pflanzen, etwa den schon zu Pharaos Zeiten verwendeten Sennesblättern. Auch Faulbaumrinde, Aloe und Rhabarberblätter enthalten Anthrachinone. Sennesblätter etwa verstärken die Darmbewegungen und sorgen dafür, daß der Dickdarm dem Stuhl kein Wasser entzieht und dieser deshalb weich bleibt.

Bei Ratten Darmkrebs

Anthrachinone haben nicht nur Wirkungen, sondern auch Nebenwirkungen: Im Laborversuch schädigen sie das Erbgut und lösen bei Ratten Darmkrebs aus. Das Bundesgesundheitsamt geht der Frage nach, ob solche Schäden auch Menschen drohen, die anthrachinonhaltige Abführmittel nehmen. Voraussichtlich werden zumindest einige Präparate verboten. Die Beurteilung wird dadurch erschwert, daß es verschiedene Anthrachinone gibt, von denen unterschiedliche Pflanzen unterschiedliche Mengen enthalten. Die Mediziner diskutieren außerdem, ob Anthrachinone bei Dauereinnahme die Darmnerven zerstören: „Im Endstadium ist der Darm ein funktionsloses Rohr“, warnt das kritische Berliner Arznei-Telegramm.

35 Mittel „nicht empfehlenswert“

Solange hier Unklarheit herrscht, stuft Öko-Test 35 von 51 geprüften Mitteln als „nicht empfehlenswert“ ein. Keine solchen Bedenken bestehen gegen die zwei chemischen Stoffe Bisacodyl und Natriumpicosulfat, die nach dem gleichen Prinzip wie Anthrachinone wirken, aber nicht deren erbgutschädigende Nebenwirkungen haben. Aber auch diese harmloseren Präparate empfiehlt das Magazin nicht, weil sie meist überflüssig sind. Phantasievolle Pharmazeuten haben sich noch andere Verfahren ausgedacht, den Darm zu überlisten: Paraffin soll seinen Inhalt gleitfähiger machen. Glycerin und unverdaulicher Zucker – Laktose – binden Wasser im Darm, der sich daraufhin zu voll vorkommt und entleert. Auch mit viel Flüssigkeit eingenommene Quellstoffe sorgen im Darm für Masse. Den gleichen Effekt erzielen Zäpfchen, die den Darm füllen, in dem sie Kohlendioxid-Gas (CO2) abgeben. Unglücklicherweise gewöhnt sich der Körper an viele Abführmittel und mag ohne sie bald überhaupt nicht mehr. Also schlucken viele treue Kunden ihr vermeintlich harmloses Lieblingspräparat jahrzehntelang. Es gibt „nur relativ wenig echte Indikationen“, schreibt selbst die Deutsche Apothekerzeitung, deren Leserschaft mit den Erleichterungspräparaten jährlich 300 Millionen Mark umsetzt. Theoretisch ist der richtige Umgang mit Abführmitteln also einfach: keine Abführmittel. Oder höchstens in Ausnahmefällen.

Mehr Bewegung und Ballaststoffe helfen

Wenn es mit der Verdauung nicht klappt, empfehlen die meisten Fachleute, es mit mehr Bewegung, mehr Flüssigkeit und Vollwertkost zu versuchen. Ballaststoffe aus Gemüse, Obst und Vollkornprodukten sorgen im Darm für mehr Masse und veranlassen so den Transport. Wer isolierte Ballaststoffe ißt, sollte viel dazu trinken, sie können sonst im Körper verklumpen und den Darm verstopfen. Dabei müssen es keine teuren Ballaststoffpräparate sein. Im Öko-Test Ballaststoffe schnitten vor allem Sesamsamen und Weizenkleie gut ab. Die Ergebnisse können Sie im Öko-Test Ratgeber Diät nachlesen, der beim Öko- Test-Leserservice, Postfach 901 046, 60450 Frankfurt für 9,80 plus 5 DM Versandgebühren zu beziehen ist. Jochen Paulus