: Clinton stellt sich hinter Bosnien
■ Warnung nach dem Scheitern der Genfer Konferenz: „Die Nato-Militäroption lebt“ / US-Außenminister fordert serbisches und kroatisches Einlenken / Neue Vertreibungen in Zentralbosnien
Washington/Sarajevo/Genf (AFP/dpa/AP) – Die USA haben nach dem vorläufigen Abbruch der Jugoslawien-Konferenz klar Stellung für die bosnische Regierung bezogen. US-Präsident Bill Clinton sagte am Donnerstag abend in Washington, die Drohung der Nato mit Luftangriffen auf serbische Stellungen bleibe „vollständig in Kraft“. Die USA würden „alles in unserer Kraft Stehende“ unternehmen, um neue Gespräche in Gang zu bringen. Die Nato könne in Aktion treten, wenn jemand erneut beginnen würde, „humanitäre Hilfe zu stören, geschützte Gebiete anzugreifen, Artillerieangriffe auf Sarajevo wiederaufzunehmen“. US-Außenminister Warren Christopher verlangte von Serben und Kroaten, auf die Forderungen der bosnischen Regierung nach territorialen Zugeständnissen einzugehen. Durch ihre „Unnachgiebigkeit und Verbohrtheit“ behinderten sie Fortschritte bei den Verhandlungen.
In mehreren Landesteilen Bosniens wurde gestern weiter gekämpft, vor allem in der Umgebung der zentralbosnischen Stadt Gornij Vakuf. Die UNO-Truppen in Zentralbosnien beobachteten eine zunehmende Süd-Nord-Wanderung der Zivilbevölkerung, die auf eine neue „ethnische Säuberungswelle“ schließen läßt. Knapp 2.000 muslimische Zivilisten seien zu Fuß aus kroatischen Gebieten südlich von Mostar durch das Neretva-Tal in die bosnisch kontrollierte Ortschaft Jablanica unterwegs. „Wir beobachten einen konstanten Strom ausgesiedelter Zivilisten“, sagte eine UNHCR-Sprecherin. Der Weg wurde von spanischen UNO-Soldaten überwacht. „Mit Ausnahme medizinischer Notversorgung können wir nicht viel unternehmen“, sagte ein UNO-Sprecher.
Die beiden gescheiterten Vermittler Owen und Stoltenberg verteidigten derweil ihren Teilungsplan für Bosnien erneut als einzige Alternative zum Krieg. In einem Bericht an den UNO-Sicherheitsrat heißt es: „Sollte der Konflikt auch den Winter über anhalten, dann könnte es schwierig, wenn nicht gar unmöglich sein, die humanitären Hilfslieferungen in Bosnien-Herzegowina fortzusetzen.“ Von bosnischer wie kroatischer Seite wurden die Vermittler kritisiert. Der bosnische Rundfunk forderte in einem Kommentar den Sicherheitsrat auf, „wenigstens“ die im Mai beschlossenen Schutzzonen zu sichern. Kroatiens Außenminister Mate Granić wiederum warf dem Westen „Uneinigkeit und Inkonsequenz“ vor. Der kroatische Verteidigungsrat schloß unterdessen kategorisch aus, den Muslimen über kroatisches Gebiet Zugang zur Adria zu verschaffen. Damit wurde ein Vorschlag vom Juni zurückgenommen, den Muslimen einen Korridor zu einem Freihafen in Ploce zu gewähren.
In Belgrad steht unterdessen angesichts der tiefen Wirtschaftskrise ein Konflikt zwischen den regierenden Sozialisten von Präsident Milošević und der extremistischen Radikalen Partei von Tschetnik-Führer Vejeslav Šešelj bevor. Šešelj erklärte, er könne die Regierung im Februar 1994 bei der Beratung des nächsten Haushalts stürzen, und kündigte die Bildung von „Schattenkabinetten“ für Serbien und Jugoslawien an.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen