: Rechtsextreme ohne Rückhalt bei Vertriebenen
■ NPD und Reps entrollen beim „Tag der Heimat“ revanchistische Transparente
Rechtsextreme nutzten gestern den „Tag der Heimat“ erneut für eine revanchistische Aktion. Von verschiedenen Seiten stürzten NPDler und sogenannte Republikaner herbei und entrollten Transparente, als Innenminister Manfred Kanther zu den Vertriebenen in der Charlottenburger Sporthalle sprach. „Verzicht ist Verrat“ stand mehrere Minuten zu lesen und „Deutschland ist größer als die BRD“. Die meist kurzgeschorenen jungen Männer forderten die hochbetagte Zuhörerschaft Kanthers vergeblich auf, den Saal zu verlassen. Die erste Viertelstunde der Rede des Innenministers ging vor Zwischenrufen unter. Das Motto des Tages hieß „Europäische Friedensordnung mit Volksgruppenrechten“.
Anders als im letzten Jahr fanden die „Jungen Nationalen“ und die Reps keinen Rückhalt bei den rund 3.500 Vertriebenen. Statt dessen wurden Ohrfeigen angedroht, und die älteren Damen und Herren aus Schlesien, Pommern und Ostpreußen baten sich Ruhe aus. Schließlich erteilten Ordner den rechtsextremen Trittbrettfahrern des Heimattages Saalverbot. Zu Festnahmen kam es nach Auskunft der Polizei nicht. Den Rest seiner Rede ließ sich dann auch Kanther nicht mehr „von zwei Dutzend Schreihälsen“ kaputtmachen. Der silberhaarige „Schlesier und danach Thüringer“ fühlte sich, wie er sagte, den Vertriebenen verbunden. Doch die ließ das kalt, denn der Innenminister verzichtete auf jegliches rhetorisches Zugeständnis und sagte, die Vertriebenen in der Ex-DDR könnten nicht auf schnelle Entschädigung rechnen. Die 800jährige Geschichte der ehemaligen Ostgebiete sei „Teil unseres geistigen Erbes“. „Als Bundesinnenminister obliegt mir die Förderung dieser Kulturarbeit“, meinte Manfred Kanther. „Und die Heimat?“ wurde er vom Publikum gefragt, woraufhin Kanther sagte, er rede doch die ganze Zeit von der verlorenen und wiedergewonnenen Heimat. „Lügner“ und „Verräter“ waren die Quittung dafür.
In der über und über mit Heimatfahnen behangenen Sporthalle in der Sömmeringstraße versprach Kanther, das Tor offenzuhalten für Aussiedler. Die Deutschen sollten aber lieber „in ihren heutigen Siedlungsgebieten“ verbleiben. Sie erhielten dafür Hilfen. 200 Millionen Mark stünden im Haushalt 93/94 zur Verfügung. Immerhin gelang es dem hessischen CDUler Kanther, die Buhrufe zur Begrüßung in einen eher freundlichen Beifall zu verwandeln. Ausgepfiffen wurde auch ein Vertreter der polnischen Botschaft, Marek Trzybinski, der zum zweiten Mal zum Tag der Heimat eingeladen war. Keine Freude bereitete dem Publikum diesmal auch Friedrich Wilhelm, Prinz von Preußen – er stand nicht auf zur Begrüßung. Christian Füller
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