Lido-Kino

Inzwischen hat sich ja bis zu den Eskimos herumgesprochen, daß die ersten Tage der Biennale etwas müde waren: sei's drum. Wer behauptet, er habe nicht trotzdem seinen Spaß gehabt, in den Nebenschienen oder bei der Retrospektive zum Geburtsjahr der Biennale 1943 („Obsessione“, „Immensee“ oder „Millions Like Us“ sind zu sehen), oder gar in der Spielhalle mit rasselnden Slot Machines und strahlenden Menschen, der ist ein Angeber. Es zeichnet sich deutlich ab, daß das Gegreine über den schutzlosen Untergang des europäischen Films, der nun auch auf dem letzten anspruchsvollen Festival von lustlosen US-Großproduktionen vertrieben wird, ein paar handfesten Überlegungen weichen muß, die mit Copyright, Zollverhandlungen und der Kooperation, jawohl!, mit amerikanischen Produzenten zu tun haben. Ein Symposium soll heute und morgen Gelegenheit dazu geben.

Auch ein neuer europäischer Filmpreis wird verliehen, von der Europäischen Film– und Fernsehakademie in Brüssel, an Filme, die hauptsächlich europäische Produktionen sind, beziehungsweise an einzelne Filmemacher.

Am Abend trat endlich Altmeister Altman auf den Plan, wie seit „Nashville“ schon lange nicht mehr. Im Traum waren ihm die Kurzgeschichten Raymond Carvers erschienen, der in kleinster Münze wiedergibt, was Hemingway noch in großen Scheinen hatte: Ein Nightmare Americain, knapp erzählt, mit apokalyptisch dröhnenden Hubschraubern, die Gift über Suburbia sprühen, um Ungeziefer zu vernichten; Paare und Kleinstfamilien, für die „Schnittmenge“ das einzig richtige Wort ist und wehe, wenn sie zusammenkommen. (Wehe auch, wenn sie nicht zusammenkommen).

Dagegen kommt Bertrand Blier nicht an, mit seinem Immigranten-Epos „Un, Deux, Trois Soleil“, das sich an der Initiation und Familiengründung der kleinen Victorine (Anouk Grinberg) aufhängt. Marcello Mastroianni gibt auch hier wieder den verschusselten Träumer, aber er kann den Film nicht vor den Albernheiten retten, die ihn herabziehen wie die vielen Bambini, die sich ständig von selbst zu vermehren scheinen.

Mariam Niroumand