„Unser Protest war nicht mehr als ein Schrei in der Wüste“

■ Gegner des vom Zentralkomitee der „Fatah“ abgesegneten Abkommens mit Israel kritisieren Alleingang Jassir Arafats

Sichtlich guter Laune marschierte PLO-Chef Jassir Arafat am Samstag aus dem Sitzungssaal des PLO-Hauptquartiers in Tunis. Nach dreitägiger Sitzung hatte das Zentralkomitee der von Arafat geführten „Fatah“-Bewegung eine Debatte zur Teilautonomie für den Gaza-Streifen und Jericho beendet. Obwohl das Abkommen in der Fatah stark umstritten ist, hatte Arafat am Ende das Jawort des Zentralkomitees in der Tasche.

Die Fatah bildet die größte Gruppe innerhalb der PLO und gilt als das „Rückgrat“ der Palästinenserorganisation. Die islamistische Hamas-Bewegung, die sich als „marxistisch-leninistisch“ bezeichnende „Volksfront zur Befreiung Palästinas“ (PFLP) unter der Führung George Habbaschs und der von Naef Hawatmeh geführte Flügel der „Demokratischen Front zur Befreiung Palästinas“ hatten gehofft, das Fatah-Zentralkomitees würde den Plan ablehnen. Hamas gehört nicht zur PLO. PFLP und Hawatmehs DFLP sind die wichtigsten Fatah-Rivalen innerhalb der PLO. Der andere DFLP- Flügel unter der Führung Yasser Abed Rabbos unterstützt Arafat.

Bei der Fatah-Sitzung waren nur 14 der insgesamt 18 Mitglieder des Zentralkomitees anwesend. Abwesenden war Arafats Berater Nabil Schaat, der sich in Washington aufhielt. Nasser Youssef, ein hoher Militär-Kader, boykottierte die Sitzung aus Protest gegen das Abkommen. Des weiteren fehlten Khaled und Hani el-Hassan. Die PLO-intern als „die Saudis“ bekannten Brüder sind die Verbindungsleute zu Saudi-Arabien und den Golfstaaten. Nach dem irakischen Einmarsch in Kuwait hatten sie sich von Arafats proirakischer Politik distanziert. Das Abkommen mit Israel lehnen sie ab. Khaled, der ältere, hat sich in den Ruhestand nach Marokko zurückgezogen und veröffentlicht Arafat- kritische Artikel in arabischen Zeitungen. Sein Bruder Hani wurde vor der Sitzung mit Kreislaufproblemen in ein saudisches Krankenhaus eingeliefert. Die Ärzte verbaten ihm für zwei Wochen, Zeitungen anzurühren, Radio zu hören und zu telefonieren. So erfuhr er zu spät von dem Abkommen, um dagegen aktiv zu werden. Hani hatte in den letzten Monaten versucht, mit saudischer Finanzhilfe eine Oppostion gegen Arafat aufzubauen. Er versuchte die Finanzkrise der PLO ausnutzen, um die verarmenden Kader der Organisation um sich zu scharen.

Unter den in Tunis anwesenden Fatah-Funktionären führten Abbas Zakie und Mahmoud Ghoneim die Opposition gegen Arafat an. Zakie unterhält gute Kontakte nach Jordanien und leitet das „Intifada-Komitee“ der PLO. Ghoneim gilt als syrienfreundlich und ist für Propaganda und organisatorische Aufgaben in der PLO zuständig. Ein weiterer Gegner des Abkommens innerhalb des Zentralkomitees beschrieb den Spielraum, den Arafat der Opposition gelassen hatte, wie folgt: „Wir wurden mit einem Abkommen konfrontiert, an dem kein Wort mehr geändert werden durfte. Unser Protest war nicht mehr als ein Schrei in der Wüste.“ Erstaunen löste in Tunis die Position von Farouk al Qaddumi aus. Der als „Außenminister“ agierende Arafat- Vertraute warf diesem vor, zu viele Kompromisse mit den Israelis eingegangen zu sein. Seiner Meinung bildet die „Gaza und Jericho zuerst“-Option nicht eine Übergangsphase für eine palästinensische Autonomie, sondern schreibt einen Status quo nach israelischen Wünschen fest.

Die Kritiker trotzten Arafat nur ein Zugeständis ab. Der PLO-Chef versprach, das Abkommen mit Israel erst zu unterschreiben, wenn entweder der palästinensische Nationalrat oder der Zentralrat der PLO dem zugestimmt haben. Der Nationalrat ist eine Art Exilparlament, in dem fast 600 über die ganze Welt verstreute Delegierte versammelt sind. Der Zentralrat hat knapp 100 Mitglieder. In beiden Gremien hatte Arafat keine sichere Mehrheit. Er versucht daher, vor den anderen PLO-Fraktionen die Regierungen der „Frontstaaten“ zu Israel für das Abkommen zu gewinnen. Rechtzeitig zum Ende der Sitzung bekam er wichtige Rückendeckung aus Jordanien. König Hussein, der bisher Arafats Alleingang in den Verhandlungen scharf kritisiert hatte, erklärte Jordaniens „volle Unterstützung“ für die „unabhängige Entscheidung der Palästinenser“. Gestern reiste Arafat nach Damaskus. Die syrische Führung lehnt Teilautonomie ab. Khalil Abied