Geschichte bleibt verschlossen

■ Das einstige Bankhaus "Mendelssohn & Co." in der Jägerstraße in Mitte, das einzig erhalten gebliebene Bankgebäude aus der Berliner Gründerzeit, wird renoviert

Die Gegensätze könnten kaum größer sein: Zwischen einem rußgeschwärzten Wohnhaus und einem Plattenbau ist seit ein paar Tagen die wohlrenovierte Fassade eines Geschäftshauses aus dem 19.Jahrhundert zu sehen. Der helle Sandsteinbau an der Jägerstraße – gegenüber dem Gendarmenmarkt – mußte nicht übermäßig „aufpoliert“ werden, nur ein Teil der zerstörten Balustrade wurde rekonstruiert. Die Gerüste holte man nun ins Innere, wo Restauratoren Marmor und Stuck freilegen. In der zentralen Halle des Gebäudes säubern sie schmiedeeiserne Gitter und die alte Fassung einer Uhr. Mit Sandstrahlern reinigen Bauarbeiter einen großen Panzerschrank.

Die Chiffren für Eleganz, Zeit und Geld sind der Abglanz des ehemaligen Bankhauses „Mendelssohn & Co.“, des „einzigen erhaltenen Bankgebäudes Berlins aus der Gründerzeit“, wie Martin Müller, Sprecher der Deutschen Handelsbank AG, erklärt. In ein paar Wochen werde der Innenraum wieder „erlebbar“ sein. Mit der Fertigstellung der Foyers, der Kassenhalle und der Büros könne im nächsten Jahr gerechnet werden, sagte Müller.

Die Deutsche Handelsbank, Eigentümerin des Gebäudes, behütet das Bankhaus Mendelssohn bis zur Fertigstellung wie einen Schatz – und verlängert damit künstlich den Dornröschenschlaf des Bauwerks und dessen sozialgeschichtliche Bedeutung für Berlin. Zwar wurde der Bau zu DDR-Zeiten unter Denkmalschutz gestellt, doch unter den Ablagerungen aus Staub, Zerstörung und Überformung ignorierte man sorglos den Umgang mit der Vergangenheit. Die Perspektiven zu Joseph Mendelssohn, dem Bankier und Firmengründer, blieben unsichtbar, abgeschnitten auch die Linien zu seinem Vater, Moses Mendelssohn, dem Philosophen, Aufklärer und Freund Lessings.

Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts bis zu den Zerstörungen durch den Zweiten Weltkrieg bildete das Quartier um die Französische Straße und Jägerstraße das Börsen- und Bankenviertel Berlins. Der Bau eines neuen Stammhauses der Bankiers Mendelssohn & Co., das von 1891 bis 1893 für das Grundstück Jägerstraße 49 geplant wurde, war notwendig geworden, reichten doch die beschränkten Geschäftsräume des benachbarten Hauses, Jägerstraße 52, nicht mehr aus.

Die Architekten Schmieden und Speer verzichteten am Neubau auf wilhelminischen Protz und entwarfen eine einfache Straßenfront, ganz in der Architektursprache eines sparsamen preußischen Klassizismus. Das zweigeschossige Haus wurde in Sandstein gestaltet, der Eingang dabei an die Seite verlegt, über dem Portal kragte ein kleiner Balkon aus. Als Abschluß diente eine wuchtige Balustraden- Attika.

Wer den Eingang hinter sich gelassen hatte, betrat eine hohe zweigeschossige Kassenhalle, die als großer quadratischer Lichthof ausgebildet war. Hinter dem Schalterraum schloß sich der Haupttresor an. Über der Galerie schwebte eine leichte eiserne Glaskuppel. Im ersten Obergeschoß – der Beletage – befanden sich die Büros der Direktoren und Bankangestellten, Konferenz- und Kundenräume.

Eleganz brachten ins Bankhaus polierter Granit und Mamor, Holzarbeiten aus Mahagoni, zarter Stuck und vier Reliefs von Schadow. Zu den technischen Raffinessen des Baus zählten zwei elektrische Aufzüge sowie eine Wasserdunstheizung zur Klimatisierung des Bankhauses. Die Baukosten beliefen sich damals auf über eine Million Reichsmark.

In den 20er Jahren erweiterten die Mendelssohns das Gebäude um einen Trakt im Hof. Um der Enteignung 1938 durch die Nazis zu entgehen, reichte die jüdische Bankiersfamilie die Liquidation ein. Das nur gering kriegsbeschädigte Haus erwarb 1956 die Deutsche Handelsbank, seit 1960 residierte in dem Gebäude die Außenhandelsbank der DDR. Mit dem Fall der Mauer beschlossen die Bänker der Deutschen Handelsbank AG, das Haus erneut als Bank zu nutzen. 1992 begannen die „Entkernungsarbeiten“, die unter der Plasteverkleidung die Schönheiten der historischen Schicht freilegten.

Nach Abschluß der Sanierung werden in dem denkmalgeschützten Bauwerk wieder Bankgeschäfte abgewickelt. Deswegen wurden zusätzliche Einbauten nötig. Martin Müller: „Das Gebäude wird mit einer Heizung und einer Klimaanlage ausgerüstet, neue Räume entstehen im Obergeschoß und eine Bibliothek parterre. Sonst wird der ursprüngliche Zustand hergestellt, alle Hölzer und Verzierungen an ihren originalen Ort verbracht.“

Bedauerlich allerdings ist, daß die wunderbare Kassenhalle für die Öffentlichkeit nicht „erlebbar“ sein wird. Das Bankgeschäft der Deutschen Handelsbank beinhaltet die Beratung und Finanzierung von Firmen. So bleibt die Geschichte weiter verschlossen. Rolf Lautenschläger