Polierte Mattscheibe

■ Wenn Fernsehsender Zeitschriften machen: Das ARD-Magazin "Das Erste"

Angesichts „der sich verschärfenden Konkurrenz durch kommerzielle Anbieter“, so teilten die ARD-Verantwortlichen in ihrem Jahrbuch 1986 mit, sei es für das öffentlich-rechtliche Fernsehen „unumgänglich“ geworden, seine „Selbstdarstellung zu verbessern“. Darum habe man beschlossen, ein gemeinsames „ARD-Magazin“ unter der Federführung des Süddeutschen Rundfunks zu publizieren – eine eigene Zeitschrift der ARD mit anspruchsvoller Zielsetzung. Neben der vierteljährlichen Ankündigung ausgewählter Fernsehbeiträge sollten rundfunkpolitische Fragen und „wichtige Themen des Hörfunks“ diskutiert werden. In einer Auflage von 200.000 bis 250.000 Exemplaren wurden damals Funkhäuser, Zeitungsredaktionen und einzelne JournalistInnen mit dem ARD-Magazin regelrecht überschüttet.

So vehement eine selbständige Zeitschrift für die ARD bis dahin immer gefordert worden war, so umstritten war sie dann innerhalb der neun eigenbrötlerischen Anstalten. Neben der unüberschaubaren Flut eigener PR-Blätter, Hauszeitschriften und Programmankündigungen der jeweiligen Sender erschien das ARD-Magazin als purer Luxus. Dennoch oder gerade deshalb konnte es sich unter der Obhut des SDR-Intendanten, Hans Bausch, als selbstkritisches Organ etablieren – ein imageträchtiger Versuch, öffentlich-rechtliches Profil zu gewinnen.

Das begann sich zu ändern, als die redaktionelle Verantwortung für das Heft vor mehr als drei Jahren in die Hände einer Tochtergesellschaft des Gruner + Jahr-Verlags gelegt wurde. Seitdem erscheint Das Erste – so der neue Name des Blattes – monatlich; Inhalte und äußeres Erscheinungsbild ändern sich zusehends in Richtung blanker PR. Ein Herausgebergremium aus ARD-Oberen und ein Redaktionsbeirat unter der Leitung von Manfred Buchwald (Intendant des Saarländischen Rundfunks) halten sich nun vornehm zurück und überlassen es der weitgehend selbständig arbeitenden Redaktion in Hamburg, das ARD-Programm zu loben.

Diese Zusammenarbeit, so SR- Intendant Buchwald auf einer Pressekonferenz am Rande der IFA, habe sich „vorzüglich entwickelt“. In „kritischer Sympathie zur ARD“ sei Das Erste zu einem Podium geworden, um die öffentlich- rechtlichen „Leistungen sichtbar zu machen“. Auch das Konkurrenzdenken zwischen den ARD- Publikationen sei mittlerweile in einen „Sympathietrip“ umgeschlagen. Und Wolfgang Timpe, Chefredakteur von Das Erste, assistiert: Allenfalls könne man noch von einer „mentalen Konkurrenz“ zwischen seinem und den übrigen ARD-Blättern reden. Daß freilich die Landesrundfunkanstalten auch bei einem derart von Sympathiewogen getragenen Produkt immer noch sparen müssen, zeigt der jüngste Wandel des ARD-Magazins, das im Jahr immerhin an die vier Millionen Mark kostet. Seit der April-Ausgabe nämlich habe Das Erste endgültig seinen feuilletonistischen Charakter abgestreift, freut sich Timpe. Ein Mehr an Namen, Daten und Fakten sowie die monatliche Übersicht über das komplette ARD-Programm mache es seiner Redaktion nun noch leichter, das Angebot des Ersten „im gut gemeinten Sinne zu verkaufen“. Begleitet wird das inhaltliche Lifting von einer radikalen Kürzung der Auflage: Nur noch 50.000 Exemplare von Das Erste sollen gezielt unter die deutsche „Medien-Elite“ gebracht werden. Dennoch, so versichern Buchwald und Timpe eilig, bedeutet diese Metamorphose des ARD-Magazins keineswegs, daß man nun eine „PR-Postille“ machen wolle. Dazu würden sich weder die Autoren hingeben noch Journalisten der ARD wie Bednarz, Wickert oder Pleitgen.

Schade eigentlich. So wird die „Medien-Elite“ wohl nie herausfinden, was Das Erste eigentlich sein soll. Eine Programm-Zeitschrift, die nur ein einziges Programm ankündigt? Eine intellektuelle Diskussionsplattform für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk? Oder eine PR-Postille für die ARD, die kritische Distanz nur simuliert? Diesen Eindruck muß man jedenfalls gewinnen, wenn Das Erste zugleich die – gefloppte – Baby-Show von Lolita Morena („Dallidalli, wulliwulli“) bejubelt, den „Kuschelhumor“ von „Gaudimax“ preist und flaue Debatten zwischen Jutta Ditfurth und Teresa Orlowski über Porno-TV anzettelt. Achim Baum