Lido-Kino

Sonntag um Mitternacht sah man plötzlich aus allen Kaschemmen, Trattorias und Strandkörbchen leicht schwankende Journalisten strömen, die gingen, um Tina zu sehen. Tina war aus Hamburg eingeflogen worden, um hier den Film über ihr Leben „Tina – What's Love Got to Do with It“ huldvoll zu inaugurieren, und wohl auch, um dem auf CD gepreßten Soundtrack ein wenig Beine zu machen. Nachdem man sich müde durch die Menge der sehnsüchtig Wartenden gekrebst hatte, war man doch einigermaßen erstaunt zu vernehmen, daß Madame Tina den Film noch kein einziges Mal gesehen hatte. Für Sie stets alert, fragte sich die taz-Redakteuse sofort ins Zentrum der Angelegenheit vor: Sieht Frau Tina irgendeinen Konnex zwischen der Geschichte ihrer Ehe mit Ike, von dem sie bös zugerichtet wurde, zum Falle Anita Hill? Und stellt Euch vor: Frau Tina mußte auch hier passen und hatte den Namen noch nie gehört. Immerhin war Frau Angela Basset, die sehnige Hauptdarstellerin, etwas mehr en courrant. „Ach nein, eigentlich, bis auf die Tatsache, daß es eben ein Mann ist und eine Frau“, konnte sie da nichts sehen irgendwie. Oh well.

Ein bißchen Katholizismus alle paar Monate mag ja angehen; ab und an mal, vorsichtig dosiert. Auch eine Portion Juliette Binoche, und von Zeit zu Zeit ein Kitsch soll auch sein. Aber alle drei zusammen, und dann noch von Kiéslowski arrangiert, zu „Trois Couleurs. Bleu“ das ist einfach zuviel. Die dürre Geschichte einer Frau, die ihre Familie verliert und all die Jahre davor die Stücke komponiert hat, für die ihr Mann berühmt wurde, muß herhalten für Kiéslowskis osteuropäischen, sozialismusgeschädigten Romantizismus. Krzysztof Kiéslowski will das Blaue aus der Trikolore schneiden, Gleichheit und Brüderlichkeit loswerden und nur noch die Freiheit übriglassen, teilt er uns auf der Pressekonferenz mit. Wie's ausschaut, gilt diese Freiheit nur noch für Wagnerianische Künstler, die dazu noch so reh-blöd gucken können wie die Binoche. mn