Unterm Strich

Mehr Enthüllungen: Lücken in der Biographie Georg Büchners lassen sich nun anhand zweier Briefe füllen, die der Büchner-Experte Thomas Michael Mayer von der Uni Marburg an die Öffentlichkeit gebracht hat. Die Briefe sind – Philologentraum – auf einem Dachboden im hessischen Butzbach entdeckt worden. Sie datieren aus der Zeit des Straßburger Exils und belegen, was nur wenige bislang bestritten hatten: Büchner hat niemals seinen aufrührerischen Worten aus dem „Hessischen Landboten“ abgeschworen, ist nicht zum Zyniker geworden, hat seine Verschwörer- Freunde nicht verraten, sondern ihnen auch aus der Ferne die Treue gehalten. So weit, so gut.

Thomas Michael Mayer ist aber nicht nur ein akribischer Forscher, sondern auch ein Mann von großer Überredungskunst, wie der neue Spiegel beweist. Dort sah man sich nämlich von dem Fund veranlaßt, weitreichende Folgerungen zu ziehen, nein, ziehen zu lassen: von Wolf Biermann. Der findet die Briefe ziemlich uninteressant und sagt das auch: „In Wahrheit liefern diese Briefe keine wirkliche Neuigkeit.“ Schade drum? I wo! Um so besser! Da muß man sich nicht lange mit der tristen Historie aufhalten, sondern kann den Blick gleich forsch aufs Allgemeine richten und bei der günstigen Gelegenheit einen Satz aus diesem prallvollen Kasten loswerden, auf dem geschrieben steht: ,Was ich immer schon mal sagen wollte‘: „Die Geschichte ist nicht unmoralisch, sie kennt überhaupt keine Moral.“ Ach nee!

Anders erging es den Kollegen der Süddeutschen Zeitung, die sich von den Dokumenten zu einer Prägung inspirieren ließen, die hiermit nur für einen ganz kurzen Moment der verdienten Vergessenheit entrissen sei: „Sie (die Briefe, d. Red.) widerlegen die bisher vertretene Meinung, der 1835 wegen seiner revolutionären Aktivitäten nach Straßburg emigrierte Büchner sei leichtfertig geflüchtet ...“ Nein, nein, so steht's da, nicht leichtfüßig, sondern eben ...: Ts, ts, die leichtfertige Flucht, das scheint uns ein bislang leichtferig vernachlässigter Tatbestand, der die Exil-Forschung aller Voraussicht nach revolutionieren wird.

In Santiago de Compostella ist heute der 60. Kongreß des Internationalen PEN-Clubs eröffnet worden. Esperanto wurde in die offizielle Liste der im Club vertretenen Sprachen aufgenommen, nachdem die Mindestanforderung erfüllt war: 20 Autoren, die dieser Sprache mächtig sind.

Am vergangenen Freitag ist siebzigjährig in Wien die Schauspielerin Joana Maria Gorvin gestorben, die in der letzten Saison noch in Berlin zu sehen war, im „Schlußchor“ von Botho Strauß.

Zum Schluß Heiter-Aufklärendes. Durch Herrn Nikolaus Blaschke und die Spiegel-Leserbriefseite wissen wir's nun: „Bambi ist kein Rehkitz, sondern ein amerikanisches Weißwedelhirschkalb (Ododcoileus virginianus).“ Waidmannsdank!