Auseinandersetzung mit fremden Kulturen

■ betr.: „Grundgesetz contra Ko ran“, taz vom 26.8.93 und „Kein Zwang zum Sport an Berliner Schulen“, taz vom 28.8.93

Ich arbeite an einer Neuköllner Grundschule, die im Einzugsbereich eines Flüchtlingsheims liegt, das vorwiegend von arabischen Familien bewohnt wird. Ich erlebe häufig, daß vor allem die Väter ihren weiblichen Kindern verbieten am Schwimmunterricht teilzunehmen. Sie zwingen sie auch während des Sportunterrichtes Kopftücher zu tragen, obwohl das gefährlich ist. Von Klassenfahrten werden sie grundsätzlich ausgeschlossen. Häufig gibt es bei den Mädchen Tränen und Unverständnis gegenüber diesen elterlichen Maßnahmen. Es bedarf oft langer Gespräche mit den arabischen Vätern, um sie von der Benachteiligung ihrer Töchter zu überzeugen. Ich setze mich in der Schule für Gleichberechtigung zwischen Mädchen und Jungen ein und bemühe mich vor allem, das Selbstbewußtsein der Mädchen zu stärken. Ich habe leider die Befürchtung, daß mit diesem Gerichtsurteil die fundamentalistische Richtung moslemischer Religion gestützt wird, die Separatismus und Ausgrenzung zur Folge hat. Ich stehe da eher auf seiten der Frauenemanzipation und den europäischen Werten der Aufklärung. Das bedeutet Auseinandersetzung und Konfrontation mit fremden Kulturen. Das kann aber nicht heißen, daß wir demokratische und frauenemanzipatorische Errungenschaften strenger moslemischer Religion opfern. Renate Lauzemis, Berlin