„Wir sind jetzt endlich unterwegs!“

■ Claus Mewes, neuer Leiter des Kunsthauses in der Markthalle, möchte andere Wege beschreiten

Mit Claus Mewes, der am 29. Mai 1951 in Hamburg geboren wurde, wird ein gelernter Kunsthistoriker mit den Schwerpunkten Kunst des 19. und 2O. Jahrhunderts die Leitung des Kunsthauses in der gerade zu Ende renovierten Markthalle übernehmen. Von den 685 Verbandsmitgliedern des Berufsverbandes Bildender Künstler (BBK), deren neuer Geschäftsführer Mewes ist, vor vier Monaten gewählt, beginnt er nun, seine Arbeit in dem neuen, schönen und circa 5OO qm großen Ausstellungsraum.

taz: Bedeutet das neue Gebäude auch eine Veränderung der künstlerischen Schwerpunkte?

Claus Mewes: Auf Grund der Struktur von Haus und Verband ist daran gedacht, die Halle Hamburger Künstlern zur Verfügung zu stellen. Vornehmlich wird es themenbezogene Gruppen-Ausstellungen geben. Die Architektur der Halle läßt zudem eine Dialog-Situation zu. Zugleich werden historische und gattungsübergreifende Ausstellungen entwickelt. 1995 wird ein wichtiges Jahr: Gleichzeitig ist es 5O Jahre nach Kriegsende und fünf vor 2OOO.

taz: Hat dies Auswirkungen auf die neue Selbstdarstellung des Verbandes?

Mewes: Die Verbindung von Ausstellungsleiter (Kunsthaus) und Geschäftsführer (BBK) rückt den BBK näher an das Kunsthaus, trotzdem steht dieses aber allen Künstlern zur Verfügung. Des weiteren suche ich ein neues Verhältnis zu Kunsthistorikern und Studenten der HfbK aufzubauen. Die aus der Vergangenheit verständlichen Berührungsängste müßen zu Gunsten eines neuen Dialogs aufgebrochen werden. Das heißt, auch von den BBK-Mitgliedern wird eine neue Öffnung und Verantwortlichkeit verlangt. Es geht darum, gute Ausstellungen zu machen, denn wir haben hervorragende Wissenschaftler und Künstler in der Stadt.

taz: Steht dabei ein spezifischer Kunstbegriff zur Diskussion?

Mewes: Kunst hat für mich über den Wirtschaftsfaktor hinaus Funktionen: aufklärerische, gesellschafts-kritische, hedonistische und Utopien fördernde. Dies besonders in einer derzeitig deprimierenden Situation. Und natürlich sage ich auch, daß es Quatsch ist, daß nicht mehr gemalt wird. Es wird immer gemalt. Deshalb heißt die erste Ausstellung Ende September auch Farb-Auftrag. Dort zeige ich großformatige Bilder, die sich mit Gewalt, Krieg, Tod und dem Rechtsradikalismus malerisch auseinandersetzen. Zudem möchte ich an Adorno erinnern und die Frage in den Ausstellungsraum stellen, ob Kunst nicht doch die Anti-These zur Gesellschaft ist.

taz: Wann und womit beginnen die ersten Ausstellungen, und wie wird sich das Kunsthaus vom Kunstverein abgrenzen?

Mewes: Es soll ein Spannungsbogen der Hamburger Kunstszene aufgebaut werden: der reicht von Sonderborg und Platschek bis zu Steven Craig, Astrid Herrmann, Wolfgang Kampz und vielen anderen. Das ganze wird ein schnell aufeinanderfolgender, fünf-teiliger Zyklus, der ganz überraschende Korrespondenzen zeigt. Vier unabhängige Kuratoren werden nach mir jeweils ein Projekt entwickeln. Dadurch schaffen wir einen Bogen: von der klassischen Ausstellungsform, über kunstwissenschaftliche, kunst-kritische bis zu neuen, künstlerischen Bespielungen. Alle wollen hier die inhaltliche Auseinandersetzung gegen die derzeit übliche, formale, setzen. Dabei freue ich mich, daß die Künstler und Künstlerinnen, auch durch den Einsatz der freien Kuratoren, bereit sind, aktiv mitzumachen. Nebenbei hat sich dabei eine selten praktizierte, anregende und kollegiale Zusammenarbeit zwischen den Kuratoren entwickelt. Ein Zeichen für den neuen Weg. Wir sind jetzt endlich unterwegs.

Fragen: Gunnar F. Gerlach