„Das Gesetz muß endlich auf den Tisch“

■ PsychologInnen begrüßen den Hamburger Gesetzesentwurf, finden ihn aber nicht präzise genug

Über den Gesetzesentwurf von Lore-Maria Peschel-Gutzeit zum sexuellen Mißbrauch in der Therapie sprach Annette Bolz mit Manfred Bogun, Mitglied des Landesvorstandes des Berufsverbandes Deutscher Psychologen (BDP), Hamburg.

taz: Was hält der BDP von diesem Gesetzesentwurf?

Bogun: Grundsätzlich begrüßen wir den Entwurf sehr heftig. Der BDP forderte schon 1991 ein entsprechendes Gesetz, weil sexueller Mißbrauch zu häufig vorkommt und es keine andere Möglichkeit der Sanktionierung gibt. Unsere berufsethischen Richtlinien sehen vor, daß keine sexuellen Kontakte zwischen Behandler und Patient stattfinden dürfen, unabhängig davon, wer sie initiiert.

taz: Halten Sie die Einengung des Täterkreises für sinnvoll?

Bogun: In dieser Weise nicht. Es fehlen viele Berufsgruppen: Sozialarbeiter, Berater und Leute in Heilhilfsberufen wie zum Beispiel Krankenpfleger in psychiatrischen Stationen, bei denen ähnliche Abhängigkeitsprozesse eine Rolle spielen. Auch die nirgendwo zugelassenen Scharlatane, die ebenfalls praktizieren dürfen, sind nicht erfaßt. Die alle kriegen durch das Gesetz indirekt die Erlaubnis zum sexuellen Mißbrauch erteilt. Besser wäre gewesen, die Situation zu beschreiben, therapieähnliche Beziehungen und Therapieverfahren zu definieren.

taz: Ist der Tatbestand der „sexuellen Handlung“ genügend definiert?

Bogun: Über diese Definition müßten sich Fachleute Gedanken machen. Jede Handlung, die mit einer sexuellen Intention geschieht, gehört dazu.

taz: Claus Jaurich, Vorsitzender ds Arbeitskreises niedergelassener Psychologen in Lübeck, zählt auch Blicke und Berührungen zum sexuellen Handeln.

Bogun: Der Blick eines Therapeuten kann nicht strafrechtlich verfolgt werden, dies ist so gut wie nicht nachweisbar. Aber die sexuellen Tatbestände sollten konkret gefaßt werden.

taz: Halten Sie die Verjährungsfrist von fünf Jahren für angemessen?

Bogun: Nein, das ist zu eng gefaßt. Der BDP hat die Erfahrung gemacht, daß fünf Jahre eher die untere Grenze darstellen, gerade in schweren Mißbrauchs-Fällen. Aber bei zu großen Zeiträumen stellt sich das Problem der objektiven Verfolgbarkeit. Sieben bis zehn Jahre wären besser. Das Ehrengericht des BDP sieht für solche Fälle des sexuellen Mißbrauchs 15 Jahre vor.

taz: Was halten Sie von einem zusätzlichen Berufsverbot?

Bogun: Bei besonders schweren Fällen würde dies angemessen sein. Das Gericht muß zumindest in der Lage sein, ein Berufsverbot auszusprechen und die Wiederholungsgefahr zu prüfen. Ansonsten kriegt der Therapeut eine Geldstrafe und arbeitet morgen weiter. Aber ein generelles Berufsverbot sollte nicht ausgesprochen werden, weil ich der Meinung bin, daß aus Fehlern gelernt werden kann.

taz: Wie sieht Ihre Gesamtbewertung aus?

Bogun: Man müßte den Gesetzesentwurf deutlich präzisieren, aber das Gesetz muß endlich auf den Tisch.