: Ein Denkmal erinnert an das erste Nazi-Massaker
■ Heute vor 50 Jahren kapitulierte Italien / Die Deutschen wurden zu Besatzern
Boves (taz) – Als Italien am 8. September 1943 kapitulierte, verwandelten sich die Hitler-Truppen im Land über Nacht von einer verbündeten in eine brutale Besatzungsarmee. Guiseppe Barale aus Boves, 100 Kilometer südlich Turin, war damals um die zwanzig. Um nicht wie 500.000 andere Italiener in ein deutsches Arbeitslager deportiert zu werden, seilte er sich mit Bettüchern ab, floh in die Berge und wurde Partisan.
Heute ist er Vorsitzender der Ortsgruppe Boves der nationalen Partisanenvereinigung „ANPI“. Gemeinsam mit dem christdemokratischen Bürgermeister Luigi Pellegrino führt er mich durch die einzigartige Sammlung mit 15 Gemälden und Zeichnungen mit Szenen aus dem Alltag des Widerstandes. Das dokumentierte Leben der „Partigiani“ in abgelegenen Ställen, wacheschiebend, kartoffelschälend, wäschetrocknend oder lesend, das Gewehr immer griffbereit, erinnert auf den ersten Blick an Lagerfeuerromantik, bis meine Begleiter das Porträt ihres ehemaligen Mitbürgers Costanzo Lerda erläutern: „Er geht in die Berge, um die Stelle seines erschossenen Sohnes einzunehmen.“ 60.000 der 300.000 italienischen Partisanen bezahlten mit dem Leben.
Je grausamer sich die Nazi- Truppen verhielten, desto schneller wuchs die „Resistenza“. Nach dem 8. September wurden die deutschen Vorurteile gegenüber allem „Welschen“ zur materiellen Gewalt. Vor allem die SS verübte unzählige Massaker an der Zivilbevölkerung. Boves war die erste Stadt, die heimgesucht wurde, ihr Name grub sich tief in das kollektive Gedächtnis der Italiener.
Giuseppe Barale schildert die Ereignisse des 19. September 1943: „Zwei Tage vorher kommt eine Partisanengruppe in den Ort herunter, um Brot zu holen. Dabei fallen ihr zwei deutsche Soldaten in die Hände, die sie mitnehmen. Schon wenig später rückt SS-Major Peiper mit seiner Soldateska aus der Provinzhauptstadt Cuneo an und besetzt die Piazza Italia.
Er gibt sein Ehrenwort, daß dem Ort nichts geschehe, wenn die Gefangenen unversehrt zurückkämen. Als Parlamentäre erreichen der Priester Don Guiseppe Bernardi und der Industrielle Vassallo die Herausgabe der beiden unverletzten Soldaten. Trotzdem läßt Peiper 350 Häuser im Ortszentrum niederbrennen und 24 Menschen erschießen.“
Das war am 19. September, ein Sonntag, elf Tage nach dem Ende des Achsenbündnisses. Die Nazis kamen am 31. Dezember, am 1. und 3. Januar 1944 noch einmal und brannten 500 Häuser in den Ortsteilen nieder. Dabei wurden 41 Einwohner erschossen.
Das Mahnmal mit den Namen dieser Opfer sowie der 11 in Arbeitslagern ermordeten Einwohner und der 45 gefallenen Partisanen ist als Durchgang gestaltet, und zwar direkt neben dem Rathaus an der Piazza Italia, gleich neben der Bushaltestelle. Die kleine Gemeinde mit ihren 8.000 Einwohnern nennt sich heute stolz „Hauptstadt des Friedens“. Vor acht Jahren richtete sie eine Friedensschule, eine „Scuola di Pace“, ein, die sie bis heute alleine finanziert. Untergebracht ist die einmalige Institution im alten Palazzo im Zentrum, in dem auch die Bilder der Adriana Filipi hängen. Die Schule bietet Seminare für Multiplikatoren an, ist aber auch fest im kommunalen Leben verankert und weckt bei den Jüngeren ein Interesse an historischen und sozialen Problemen.
Zum 50. Jahrestag des Massakers ist ein landesweiter Malwettbewerb für Schulkinder zum Thema Frieden ausgeschrieben. Durch solche Aktivitäten entrinnt die Gedenkfeier der Gefahr einer Ritualisierung und bezieht die Nachgeborenen mit ein. Ursula Wöll
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