Mehr Ruhe an umstrittener Grenze

■ „Vertrauensbildende“ Schritte zwischen China und Indien

Peking (dpa/taz) – Chinas Premier Li Peng und sein indischer Amtskollege P. V. Narasimha Rao haben gestern in Peking ein Abkommen zur Lösung von Grenzproblemen getroffen. In wichtigen Punkten, wie der Reduzierung der Truppen an der umstrittenen Grenzlinie, gab es jedoch noch keinen Durchbruch. Beide Seiten vereinbarten aber „vertrauensbildende Maßnahmen“ zur „Bewahrung von Frieden und Ruhe entlang der bestehenden Kontroll- linien“.

Ein Protokoll zur Ausweitung des erst im Juli 1992 wiederaufgenommenen Grenzhandels sieht die Öffnung des Shipki-Passes als zusätzliche Handelsroute vor. Weitere Handelswege sollten erkundet werden. Beide Seiten unterzeichneten auch zwei Abkommen zur Zusammenarbeit im Umweltschutz und bei Rundfunk und Fernsehen. Die Vorwürfe der USA über die Lieferung von chinesischen Raketenteilen an Pakistan seien „nicht angesprochen worden“, sagte der Sprecher des Pekinger Außenministeriums, Wu Jianmin. Beide Ministerpräsidenten hätten die Situation an der gemeinsamen 3.800 Kilometer langen Grenze als „friedlich und ruhig“ bezeichnet. Eine gemeinsame Arbeitsgruppe solle ihre Arbeit beschleunigen, um zu einer „gerechten und verantwortlichen Lösung“ noch bestehender Probleme zu kommen. Das Abkommen bekräftigt nach indischen Angaben die Verpflichtung, „die Grenzfrage durch friedliche und freundschaftliche Konsultationen zu lösen“ und von Gewaltandrohung abzusehen.

Vorbehaltlich einer Einigung über den umstrittenen Grenzverlauf respektieren China und Indien die „Linien unter tatsächlicher Kontrolle“. Beide Seiten einigten sich zwar im Prinzip auf die Verringerung der Truppen entlang der Grenze – wann und um wieviel, müsse aber noch ausgearbeitet werden, so eine indische Erklärung. Bei der derzeitigen Stationierung solle das Prinzip der „wechselseitigen und gleichen Sicherheit“ befolgt werden. Das Abkommen sieht vor, Manöver anzukündigen, die über noch zu vereinbarende Grenzen hinaus innerhalb bestimmter Gegenden stattfinden. Es würden auch „angemessene Maßnahmen“ gegen Luftraumverletzungen ergriffen. Militärisches Personal werde ausgetauscht, und eine direkte Kommunikation über die Grenze werde eingerichtet.

Der Sprecher des Pekinger Außenministeriums zitierte Rao aus dem Gespräch mit Li Peng mit den Worten: „Beide Seiten lassen nicht zu, daß ihre Differenzen die gegenseitig vorteilhafte Kooperation behindern.“ Es gebe ein „großes Potential für Zusammenarbeit“. Li begrüßte die Fortschritte in den Beziehungen, nannte die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit einem Handelsvolumen von 560 Millionen Mark „noch ziemlich niedrig“.

In der Vergangenheit ist es mehrfach zu bewaffneten Auseinandersetzungen an der umstrittenen Grenze gekommen, zuletzt 1987. Rao ist seit der Visite von Rajiv Gandhi im Jahr 1988 der erste indische Regierungschef, der China besucht. Li Peng war 1991 in Indien.(Kommentar S. 10)