Verschärft gegen Auspuffgase

SPD-Umweltminister drängen auf strengere „Töpfer-Werte“ / Erfolgschancen stehen gut / Stark belastetes Berlin will erst ab 1998 Fahrverbote / Konkrete Pläne für Großraum Stuttgart  ■ Von Dirk Wildt

Berlin (taz) – Noch brauchen Bewohner von Ballungsgebieten die Hoffnung nicht aufzugeben: Die von der Bundesregierung beschlossenen „Eingreifwerte“ für Autoabgase, bei deren Überschreiten Kommunen den Autoverkehr beschränken und verbieten dürfen, werden möglicherweise den Bundesrat nicht passieren – weil sie zu lasch sind. Nordrhein-Westfalens Umweltminister Klaus Matthiesen will sich morgen federführend für die SPD-regierten Bundesländer für eine Verschärfung der Werte im Bundesrat einsetzen. Die von der Bundesregierung vorgelegten Werte würden ja nicht einmal auf stark frequentierten Innenstadtstraßen und Verkehrsknotenpunkten erreicht – sie brächten dem Gesundheitsschutz „fast nichts“, so Matthiesen gegenüber der taz.

Der Minister drängt auf die von Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) ursprünglich für notwendig gehaltenen Grenzwerte. Für den Lungenkrebs auslösenden Dieselruß waren acht Mikrogramm pro Kubikmeter Luft und für das Leukämie verursachenden Benzol zehn Mikrogramm vorgesehen. Das Bundeskabinett hatte die Werte auf 14 beziehungsweise 15 Mikrogramm angehoben und somit wesentlich entschärft. Matthiesens Ministerbüro wollte nicht abschätzen, ob der Antrag den Bundesrat erfolgreich passieren werde, doch in anderen Bundesländern werden die Chancen als „verhältnismäßig gut“ eingeschätzt.

Das von einer großen Koalition regierte Berlin hingegen – mit Auspuffgasen so stark belastet, daß selbst die entschärften Eingreifwerte in 40 Straßenabschnitten überschritten werden – will sich nicht für die alten Töpfer-Werte stark machen. Der „alte“ Wert von 100 Mikrogramm Stickoxid, das zur Bildung des Reizgases Ozon (Sommersmog) beiträgt, wird an 260 Kilometer Länge untersuchter Hauptstraßen „in nahezu allen Fällen“ überschritten, heißt es in einem Gutachten der Umweltverwaltung. Nach der Vorlage der Bundesregierung soll dieser Wert nun erst in fünf Jahren in Kraft treten. Bei einer Verschärfung dieses Werts käme Berlins Umweltsenator Volker Hassemer (CDU) unter erheblichen politischen Druck.

Daß Berlin trotz der hohen Schadstoffbelastung bislang in keiner einzigen Straße den Autoverkehr verboten oder wesentlich eingeschränkt hat, begründete Umweltsenator Volker Hassemer (CDU) in der Vergangenheit stets damit, die strengen Töpfer-Werte seien rechtliche Voraussetzung für Fahrverbote. Für kommendes Jahr war bereits vorgesehen, Autos ohne Katalysator im Innenstadtbereich (etwa 1,1 Millionen Einwohner) zu verbieten oder mit Fahrgebühren zu belegen. Berlins Umweltsenator hat das „Kat-Modell“ nun auf die lange Bank geschoben. Heute fährt jedes zweite Auto ohne Kat, bei der für 1998 geplanten Einführung wäre nur noch jedes fünfte Auto betroffen.

Harald Schäfer, SPD-Umweltminister im schwarz-roten Baden- Württemberg, unterstützt dagegen die Verschärfung der Grenzwerte. Außerdem setzt er sich für einen Luftreinhalteplan für den Großraum Stuttgart ein. Der Autoverkehr trägt zu über zwei Dritteln zu den Sommersmog verursachenden Schadstoffen bei. Stimmen die betroffenen 40 Städte und Gemeinden zu, könnte sofort die Geschwindigkeit flächendeckend reduziert werden. Für Autos und LKW würde dann auf Autobahnen Tempo 100 und Tempo 80, auf Landstraßen 80 und 60 und auf innerörtlichen Hauptstraßen 50 sowie in Nebenstraßen Tempo 30 gelten. Die Stickoxide würden dadurch um ein Zehntel reduziert. Bei Sommersmog soll generell Tempo 60 gelten. Dirk Wildt