Neue „militante Politik“ verlangt

■ „Militante Gruppe“ kritisiert RAF und „beschissenes Jahr“

Berlin (taz) – Mit einem siebenseitigen Grundsatzpapier hat eine Gruppe „militanter Autonomer“ in die laufende Szene-Debatte über die Zukunft linksradikaler Politik in Deutschland eingegriffen. In dem Schreiben, das der taz vorliegt, fordert eine „antiimperialistische widerstandszelle nadia shehadah“ eine „neue etappe militanter politik hier in der brd als teil des internationalen kampfes um befreiung“. Ausdrücklich beziehen sich die Autoren, die sich bereits nach der Deeskalations-Erklärung der RAF im April 1992 zu Wort gemeldet hatten, auf das Schreiben des RAF-Gefangenen Helmut Pohl von Ende August.

Spürbar um einen moderat-solidarischen Ton bemüht, kritisieren die Autoren dennoch scharf die Äußerungen der RAF-Untergrundgruppe seit dem April 1992. Zwar habe man die damalige RAF-Erklärung, auf Attentate gegen Wirtschaftsführer und Politiker künftig zu verzichten, als Entscheidung der RAF „nicht falsch“ gefunden. Die politische Wirkung sei dennoch katastrophal gewesen: „ihre erklärung konnte nur als deeskalationsangebot an den staat als reaktion auf das angesehen werden, was in den medien als ,kinkel-initiatitive‘ rumgeisterte“. Statt einer grundsätzlichen „neubestimmung militanter/bewaffneter politik“ sei die Konsequenz des RAF-Schrittes eine Demobilisierung der radikalen Linken gewesen. Viele hätten geglaubt, „militante aktionen“ würden „die chance für die vermeintlich ,vernünftigen‘ lösungen nur verspielen“. Für die Gruppe, die sich in ihrem Schreiben zu Anschlägen auf das „Rechtshaus“ der Universität Hamburg im November 1992 (Sachschaden: 1,8 Millionen DM) und die ehemalige Wohnung eines Mitarbeiters der GSG 9 am 18. August 1993 in Solingen bekennt, sei es während des „ganzen beschissenen jahres 1992“ ein Schock gewesen, „miterleben zu müssen, wie wenig genoss(inn)en in militanten aktionen noch einen sinn sahen“.

Der RAF werfen die Autoren vor, fälschlicherweise Hoffnungen in die „Kinkel-Initiative“ zur vorzeitigen Entlassung bestimmter RAF-Gefangener gesetzt zu haben. Tatsächlich seien die Gefangenen für Kinkel immer nur Mittel zum Zweck gewesen. Einige sollten freigelassen, andere jedoch praktisch als Geiseln gegen neue Anschläge dauerhaft in Haft gehalten werden. Ähnlich hatte sich der RAF-Gefangene Christian Klar vor einem Jahr in Stuttgart- Stammheim geäußert, als er erklärte, der Staat brauche ihn und andere Inhaftierte als „geiselmaterial“ zur „(selbst)disziplinierung militanter politik in deutschland“. Dies habe sich durch die fortdauernde Haft und durch den GSG-9- Einsatz in Bad Kleinen bestätigt. Nun müsse „von viel mehr menschen, als das im vergangenen verlorenen jahr der fall war, konzentriert daran gearbeitet werden, daß die zl (Zusammenlegung der RAF-Gefangenen, d. Red.) jetzt durchgesetzt wird, schreibt die Gruppe unter Hinweis auf eine von Helmut Pohl in seinem Brief aktualisierte Forderung. Und zur Sprengung des Gefängnis Weiterstadt: „wir grüßen das kommando katharina hammerschmidt – nur so kann es laufen: zusamen kämpfen!“ Gerd Rosenkranz