Drei Monate Haft für Markus Privenau

■ Bekannter Neonazi hatte gemeinsam mit Hendrik Ostendorf Domsheide zum „Rudolf-Heß-Platz“ umgetauft

Drei Monate ohne Bewährung für „gemeinschaftliche versuchte Sachbeschädigung“. Das ist das Urteil in einem spektakulären Prozeß, der gestern vor dem Bremer Amtsgericht stattfand. Angeklagt war Markus Privenau, der prominenteste Bremer Neonazi. Er war Vorsitzender der Freiheitlichen Arbeiterpartei (FAP), gegen die mittlerweile ein Verbotsantrag läuft, und gilt als Kopf der „Hilfsgemeinschaft Nationale Gefangene“. Er hatte sich zu verantworten, weil er „Rudolf-Heß-Platz“ über zwei Straßenschilder geklebt hatte. Allein war er dabei zwar nicht, aber weil sein Kompagnon nicht vorbestraft ist, kam er außergerichtlich mit 40 Tagessätzen davon. „Das ist ein Witz“, kommentierte Privenau sein Urteil und kündigte Berufung an.

Am frühen Morgen des 10. Mai ging ein Funkspruch an alle Streifenwagen: Zwei Männer überklebten Straßenschilder. Über „Unser lieben Frauen Kirchhof“ und „Domsheide“ prangte als neuer Name „Rudolf-Heß-Platz“. Die beiden Täter waren schnell gefaßt, und sie waren keine Unbekannten: Neben Privenau wurde Hendrik Ostendorf festgenommen, auch eine zentrale Figur in der bundesrepublikanischen Neonazi-Szene.

Gestern morgen im Amtsgericht: Privenau, Jahrgang 66, gelernter Maurer, zur Zeit arbeitslos. Ein kräftiger junger Mann in gewichsten schwarzen Schuhen, die Baseballkappe verkehrtrum über dem kurzgeschorenen Haar, ein dünner Schnauzbart. Eine schwarze Sonnenbrille demonstriert Gelassenheit. Und Hendrik Ostendorf: Ein blondbezopfter Schlacks, eher unauffälig. Um die beiden herum eine handvoll Freunde und Unterstützer, junge, aber auch alte. Dazwischen der Privenau-Anwalt Professor Dr. Hans-Werner Bracht, gut Freund mit allen.

„Nicht schuldig im Sinne der Anklage“, fühlt sich Privenau. Die Tat bestreite er nicht. „Aber ich habe nichts beschädigt und wollte das auch nicht.“ Angeklagter und Anwalt ziehen einen Aufkleber „Rudolf- Heß-Platz“ aus der Tasche.

Neonazi Privenau: „ungünstige Sozialprognose“Foto: Matthias Leupold

„Kann man ganz leicht wieder abziehen“.

Daß die Aktion am 10. Mai stattgefunden hat, dafür gebe es einen Grund. Privenau: „An dem Tag ist Heß nach England geflogen, um einen Frieden zu verhandeln.“ Er sei zu Unrecht verurteilt worden und 46 Jahre eingesperrt gewesen — „und wahrscheinlich ermordet“, wird Anwalt Bracht später sagen. Privenau: „Ich wollte dem Recht zum Durchbruch verhelfen“.

Fragen an den Angeklagten gibt es kaum. Ob es Fragen an den Zeugen Ostendorf gebe, will Richter Nordhausen wissen. Der Anwalt verzichtet und auch Staatsanwältin Ruth Düßmann fällt keine Frage ein. So kommt Hendrik Ostendorf drumrum, öffentlich Stellung nehmen zu müssen.

Der Ton im Gerichtssaal ist ruhig, argumentiert wird allein zur „Sachbeschädigung“. Der Ange

klagte sei zwar geständig, argumentiert die Staatsanwältin. Doch seine Einlassungen ließen nicht darauf schließen, daß er nicht eingesehen hätte, Unrecht begangen zu haben, schon gar nicht sein Vorstrafenregister. Privenau hat schon sechsmal vor Gericht gestanden. Neben kleineren Straftaten hatte er bei Schießübungen einen Koch getötet. Erst im November 1991 war ihm seine Reststrafe erlassen worden. „Eine günstige Sozialprognose kann ich nicht stellen“, sagte die Staatsanwältin und forderte drei Monate Haft.

Es knisterte, als Rechtsanwalt Bracht anhob: Sachbeschädigung liege nicht vor, argumentierte er. Selbst wenn: Privenaus Aussage spräche für ihn. Nürnberg sei eindeutig völkerrechtswidrig gewesen. Dort seien Taten abgeurteilt worden, die zur Tatzeit kein Verbrechen gewesen seien. Das sei juristisch nicht haltbar, genauso wie die Tatsache, daß Siegermächte gerichtet hätten, die selbst Unrecht begangen hätten. Dagegen anzugehen, das müsse

„begrüßt und nicht bestraft“ werden. Schließlich sei ein Widerstandsrecht im Grundgesetz verankert. Er fordere Freispruch.

Richter Nordhausen hörte sich beide Plädoyers mit versteinerter Miene an, und verkündete dann das Urteil: Drei Monate Haft, keine Bewährung, der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Dann aber war dem Richter die Erregung anzumerken. Die Sachlage sei sonnenklar. Trotzdem wolle er auf die Argumentation des Anwalts eingehen. Wenn man der folge, müsse man die Nürnberger Urteile aufheben und den Verurteilten womöglich noch Entschädigung zahlen. „Das hat mir den Atem genommen. Ich habe nicht gedacht, daß das in einem deutschen Gerichtssaal noch möglich ist.“ Markus Privenau konnte sich kaum beherrschen: „Die emotionale Reaktion des Richters war fehl am Platze. Der Mann hat seinen Beruf verfehlt.“ Und Anwalt Bracht kündigte Revision an, „wenn nötig bis zum Verfassungsgericht.“ Jochen Grabler