: Parken "unter der Gürtellinie"
■ Im Streit um Park-and-Ride gehen Verkehrssenator und CDU die Argumente aus / Investitionen lohnen sich offenbar nicht / Abgeordnete reagieren polemisch: Grüne wollten Stadt ins Chaos stürzen
Einigen CDU-Abgeordneten gingen gestern die Pferde durch. Die Grünen wollten diese Stadt ins Chaos stürzen, warf der 44jährige Verkehrsingenieur Fritz Niedergesäß der Opposition vor. Hein-Detlev Ewald (49), Speditionskaufmann, appellierte in der Sitzung des Verkehrsausschusses an den verkehrspolitischen Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, „endlich konstruktiv mitzuarbeiten und die ständigen Angriffe unter die Gürtellinie der Mitglieder des Senats zu unterlassen“. Was hatte Michael Cramer (45), von Beruf Lehrer, gesagt?
Auf der Tagesordnung stand das Thema Park-and-Ride (P&R). Wie gestern berichtet, plant Verkehrssenator Herwig Haase (CDU) für 85 Millionen Mark den Neubau von 5.500 Parkplätzen an 74 U- und S-Bahnhöfen, um – so die offizielle Argumentation – Autofahrer mit diesem Angebot zum Umsteigen auf die Bahn zu bewegen. Die Grünen wollten gestern nun wissen, wo diese Stellplätze gebaut werden sollen und ob sich das Ganze angesichts der miesen Haushaltslage überhaupt rechne. Wie die Stellplätze bezahlt werden sollen, sei noch unklar, gestand Senator Herwig Haase (CDU) ein. Und erst nachdem Cramer dem Senator vorwarf, das Parlament zu „brüskieren“, versprach Haase, Cramer die Liste der Standorte zukommen zu lassen. Beim strittigen Erfolg von P&R berief sich der Senator auf angeblich gute Erfahrungen anderer Städte wie München.
Cramer verwies dagegen auf wissenschaftliche Untersuchungen, die dem widersprechen. München habe gerade schlechte Erfahrungen mit Park-and-Ride gemacht: 300.000 Quadratmeter – rund 60 Fußballfelder – seien für 14.800 Stellplätze asphaltiert worden, doch die Bahn habe kaum merkliche 1,8 Prozent neue Kunden gewinnen können, sei das Ergebnis einer Untersuchung des Heidelberger Umwelt- und Prognose-Instituts (UPI).
Nach einer Untersuchung der Studiengesellschaft Nahverkehr, berichtete Cramer, würden nur auf einem Drittel der P&R-Plätze neue Bahnkunden ihr Auto abstellen. Auf einem weiteren Drittel stünden vormals „wilde“ Parker, auf den restlichen Plätzen parkten Leute, die dem Öffentlichen Nahverkehr teilweise verlorengingen – sie seien nämlich vorher zu der Bahnstation ohne Auto, sondern mit dem Bus gekommen. Die Grünen lehnen deshalb P&R-Plätze grundsätzlich ab. Die SPD hält sie dennoch an Endpunkten von S-Bahn-Linien für sinnvoll.
Doch bei der CDU nichts als Polemik. Als der Grüne Zahlen vom Bundeswirtschaftsministerium zitierte, sprach Niedergesäß von einer „wahnwitzigen Vorstellung“ Cramers. Dirk Wildt
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