Bewährungsstrafen für Kommmunalwahl-Fälscher

■ Ex-Oberbürgermeister Erhard Krack zu zehn Monaten verurteilt

Mit Haftstrafen zwischen sechs Monaten und einem Jahr ist gestern der Wahlfälschungsprozeß gegen den früheren Ostberliner Oberbürgermeister Erhard Krack und 13 weiteren früheren SED- Kommunalpolitiker vor dem Amtsgericht Moabit zu Ende gegangen. Das Gericht unter dem Vorsitz von Jürgen Warnatsch sah es als erwiesen an, daß Krack zusammen mit seiner Stellvertreterin Hannelore Mensch und dem damaligen 2. Sekretär der SED-Bezirksleitung, Helmut Müller, Vorgaben erarbeitete, um die Wahl am 7. Mai 1989 zu einem SED-freundlichen Erfolg werden zu lassen (98,63 Prozent). Die mitangeklagten Bezirksbürgermeister setzten dann, so der Richter, das vorgegebene Ergebnis „je nach Temperament und Skrupeln“ um. Der Ex- Bürgermeister erhielt wegen Anstiftung zur Wahlfälschung 10 Monate, die Stellvertreterin und der SED-Sekretär jeweils 12 Monate auf Bewährung. Der Richter begründete das unterschiedliche Strafmaß bei gleichem Tatbestand mit der Geständnisbereitschaft, der Kooperation vor Gericht und der Reue, die Krack in den zwei Verhandlungsrunden an den Tag legte. Mensch und Müller hingegen hätten in „teilweise schäbiger Weise“ die ausführenden Bezirksbürgermeister als „irregleitete Kader“ bezeichnet und ihre Eigenverantwortung vertuscht. Richter Warnatsch betonte, daß das Gericht keine „Siegerjustiz“ geübt habe. Den Angeklagten sei nicht das BRD-Recht nachträglich „übergestülpt“, sondern es seien die Gesetze angewendet worden, die in der Übergangszeit bis zum 3. Oktober 1990 in der DDR hätten angewendet werden müßen. Das Strafverfahren sei schon von der DDR-Staatsanwaltschaft eingeleitet worden. Wie die Wahlfälschung im einzelnen funktionierte, ergaben die Vernehmungen der zehn angeklagten Bezirksbürgermeister. Besonders engagierte sich Hannelore Mensch bei der Überzeugungsarbeit. Sie wurde später in Modrows Übergangsregierung Ministerin für Arbeit und Löhne. Nachdem das Wahlfälschertrio die Ergebnisse und insbesondere die Vorgaben für die Oppositionsstimmen festgelegt hatte, reiste Frau Mensch eine Woche vor den Wahlen durch die Bezirke und übermittelte die im Rathaus ausgeheckten Zahlen als „verbindliche Vorgaben“. Wie vor dem Gericht deutlich wurde, feilschten die Bürgermeister, die die Stimmung in ihren Bezirken gut einschätzen konnten, dabei um genehmigte Oppositionsstimmen wie auf dem Jahrmarkt. Meistens erfolglos.

Zum Beispiel in Weißensee. Dort hatten die Vorgesetzten festgelegt, daß auf keinen Fall mehr als 1.000 Gegenstimmen gezählt werden dürfen. Weil der Friedenskreis von Weißensee aber die Auszählung flächendeckend überwachte, befürchtete die Bürgermeisterin Ingeborg Podbuweil ein offensichtliches Fiasko. Noch am Wahltag rief sie Hannelore Mensch an und kündigte die Veröffentlichung der realen Zahlen an. Nach diversem Hin und Her, auch SED-Bezirksleiter Günter Schabowski wurde eingeschaltet, und nach erheblichem Druck auf die zaudernde Bürgermeisterin wurde die Zahl der Gegenstimmen etwas erhöht. Auf genau 1.011. Mehr Erfolg hatte hingegen eigenmächtiges Handeln. So erhöhten die Bürgermeister von Hellersdorf, Marzahn und Hohenschönhausen die Oppositionsstimmen um einige hundert. Aber das waren sowieso SED-Hochburgen. aku