Pätzold bringt Limbach unter Erklärungsdruck

■ Rechtsausschuß fordert heute Aufschluß über Ungereimtheiten im Vorgehen gegen den Ex-Innensenator

In der Auseinandersetzung um die Ermittlungen gegen den ehemaligen Innensenator Erich Pätzold (SPD) hat Justizsenatorin Jutta Limbach (SPD) nun einen Rückzieher gemacht. Hatte sie bis dato die Einsicht in die Verfahrens-Unterlagen ihres Hauses strikt verweigert, gab sie nun dem Drängen ihrer Parteifreunde nach und ermöglichte dem Rechtsausschuß die Lektüre. Der Ausschuß wird sich heute ein eigenes Urteil darüber bilden, ob Limbach, wie Pätzold ihr vorwirft, eine „kapitale politische Fehlentscheidung“ fällte, als sie sich im Juni weigerte, den ermittelnden Staatsanwalt Matthias Priestoph abzulösen. Dieser sei, so die Begründung des Ex-Innensenators, befangen gewesen als er gegen ihn über zwei Jahre lang wegen des Verdachts der uneidlichen Falschaussage vor dem Schmücker-Untersuchungsausschuß ermittelte. Der Grund: Priestoph war, laut einem VS-Vermerk, als Staatsanwalt im Schmückerverfahren 1978 an der informellen Weitergabe von Verfassungsschutzunterlagen an die Richter beteiligt gewesen. Pätzold hat 1990 diesen Vermerk veröffentlicht, wegen dieses Rechtsbruchs wurde der Schmückerprozeß eingestellt.

Pätzolds Begehren, Priestoph zu ersetzen, kamen weder dessen Vorgesetzter, Generalstaatsanwalt Hans-Joachim Heinze, noch dessen Kollege am Kammergericht, Dieter Neumann, noch die Justizverwaltung nach. Dabei war man im Hause Limbach, wie nun aus den Unterlagen hervorgeht, zunächst durchaus der Auffassung, daß Priestophs Verhalten im Schmückerverfahren den Verdacht der Strafbarkeit begründe und Pätzolds Befangenheitsverdacht berechtigt sei. Allerdings, so Justizstaatssekretär Detlev Borrmann, „sind hinsichtlich der Unparteilichkeit bestehende Bedenken nach dem geltenden Prozeßrecht unmittelbar nach Kenntniserlangung vorzubringen“. Im Klartext: Pätzold hätte gleich zu Beginn der Ermittlungen 1990 und nicht „zum Ende eines ansonsten fair verlaufenen Verfahrens“ seine Bedenken anmelden müssen.

Borrmann berücksichtigte dabei nicht, was Pätzold bereits vor Monaten erklärt hatte: Erst im Herbst 1992, bei der Sichtung alter Verfassungsschutzunterlagen, „entdeckte ich den mir inzwischen geläufigen Namen „meines Oberstaatsanwaltes, wenn auch phonetisch verfremdet“. In der Tat ist in dem VS-Vermerk von 1978 von einem Staatsanwalt „Priesdorf“ die Rede, eine Identität mit „Priestoph“ nicht sofort erkennbar, mithin Pätzolds Argument schlüssig. In ihrer eigenen Würdigung schloß sich Limbach Borrmanns Argumentation deshalb auch nicht an. Sie hatte bereits die Ablösung Priestophs zu Papier gebracht, als sie plötzlich ihre Meinung änderte. Sie plagten die „Folgewirkungen“, die eine mögliche Ablösung haben könnte, deshalb befand sie nun vorsichtig, daß davon nur „mit äußerster Zurückhaltung Gebrauch zu machen“ sei. Der Rechtsausschuß wird prüfen, ob ein seinerzeit gegen sie selbst geführtes Ermittlungsverfahren Limbach zu dieser Zurückhaltung bewegt hat. Das Verfahren gegen sie wegen Anstiftung eines Arztes zur Brechung der Schweigepflicht beim Honeckerprozeß wurde eingestellt. Der Rechtsausschuß wird auch Heinzes Verhalten hinterfragen. Dieser erklärte gestern gegenüber der taz, er habe „noch 1990“ von Priestophs Ermittlungen gegen Pätzold erfahren und zugleich von dessen Tätigkeiten im Schmückerprozeß gewußt. Er machte die Angelegenheit zur Chefsache, doch, so begründete er seine damalige Untätigkeit, „den Eindruck der Befangenheit hatte ich nicht und habe ich auch heute noch nicht“. Limbach rügt hingegen, daß es „bei Einleitung des Ermittlungsverfahrens klüger gewesen wäre, zu vermeiden, daß ein Staatsanwalt mit den Ermittlungen betraut werde, der im „Schmückerverfahren „tätig geworden sei“. Trotz der gerichtlichen Bewertung als Rechtsbruch ist sich Heinze zudem sicher, daß von Priestoph im Schmückerverfahren „eine Straftat nicht begangen“ wurde. Diese Einschätzung wird nun womöglich ein Gericht beurteilen, denn Pätzold hat Anzeige wegen Strafvereitelung im Amt erstattet. Zur Zeit zerbricht man sich bei der Justiz den Kopf darüber, wer die Ermittlungen gegen die obersten Ermittler führen soll. Dieter Rulff