■ Tschechische Telecom stellt ihre Anschlüsse um, die Folgen:
: „Nichts geht mehr!“

Prag (taz) – Möglicherweise werden die Briefträger der Moldau-Metropole unter der kiloschweren Papierlast bald zusammenbrechen. Dann wird man entsetzt auf ein Unternehmen schielen, dessen Ruf in diesen Wochen ohnehin schon deftig darbt: Täglich flattern bis zu hundert Beschwerden in den Briefkasten der tschechischen SPT Telecom. Der Grund: Seitdem die Kommunikationsexperten das Telefonsystem auf digitale Anschlüsse umstellen, gilt beim Telefonieren der Leitspruch eines Croupiers: Nichts geht mehr!

Allein in Prag verschwinden in diesem Quartal rund 60.000 Telefonnummern aus dem alten Netz. Die Telecomisten stellen direkt auf Digitalanschlüsse um. Der Witz: Viele Telefonnutzer wissen weder ob noch wann sich die eigene Nummer ändert. Nur Ministerien, Ärzte und Anwälte werden über den genauen Zeitpunkt informiert. Stille Stunden also für Nicht-VIPs; der Apparat schweigt. Wer bei der Störungsstelle nachfragt, bekommt die lakonische Antwort: „In den Medien wird veröffentlicht, welche Nummern sich ändern.“ Es gilt, zur rechten Zeit die richtige Zeitung zu lesen.

Auch die tägliche Testwahl aus der Telefonzelle verschafft Sicherheit. „Volane cislo neexistuje“ („Die gewählte Nummer existiert nicht“), spricht die Dame vom Band, nachdem der Nutzer seiner alten Nummer beraubt wurde. Problem: Der gleiche Vers ertönt auch bei normalen Störungen. Und die sind in Prag selbstverständlich. Ganze Stadtteile sind telefontechnisch für Tage von der Außenwelt abgeschnitten.

Allzu gut läßt sich der Unmut vieler Firmen verstehen. Doch drohenden Klagen wegen entgangener Geschäfte versprechen keinen Erfolg. „Kleinere Pannen müssen wir binnen drei Tagen, größere Schäden innerhalb von zwei Wochen beheben“, erklärt Frantisek Kaliba, Chef der Telecom-Störungsstelle, die Rechtsgrundlage. Die Probleme liegen nach Aussage Kalibas an dem Zeitdruck, der die Firma ausgesetzt ist: 40 Prozent ist die Zahl der Telefonate in den letzten drei Jahren gestiegen. Um dem Kommunikationsaufkommen standzuhalten, müsse das überlastete Netz schnellstens digitalisiert werden.

Etwa 130 Billionen Kronen wird die Umstellung kosten. „Bis zum Jahre 2000 wollen wir den Stand erreichen, auf dem Westeuropa Ende der 80er Jahre war“, sagte unlängst der Direktor der Telecom, Boris Vik. Während Firmen die ständigen Pannen mit Funktelefonen zu umgehen versuchen, warten in Prag derzeit 110.000 Menschen auf einen Neuanschluß. Und das kann mitunter Jahre dauern. Thomas Niederberghaus