■ Das Portrait: Georg Rentrup
Der Mann ist ein echter Kilometerfresser. Seit 1987 ist er on the road, hat insgesamt 2.665 Städte besucht und gut und gerne 35.000 Kilometer zurückgelegt – und zwar unfallfrei. Nur einmal flog er von der Böschung. Das riskante Überholmanöver eines leichtsinnigen Blechkutschencowboys drängte ihn in den Straßengraben. „Wenn etwas passieren soll, passiert es sowieso“, philosophiert der Vielfahrer“, „wenn man Angst hat, dann braucht man nicht zu fahren aber Angst habe ich nicht.“ Georg Rentrup lenkt keine Benzinkiste und auch keins von diesen schicken Mountainbikes, sein Gefährt ist ein 10 km/h schneller Elektrorollstuhl.
Rollstuhlfahrer on the road
Rentrup ist gelähmt. Den Rollstuhl kann er nur mit der linken Hand bedienen. Alle Steuerungsfunktionen sind in einem kleinen Schalthebel integriert. Der 54jährige Westfale aus Lengerich, seit 16 Jahren auf den Rollstuhl angewiesen, hatte vor sechs Jahren die Idee durch Deutschland zu rollen und Geld für die Aktion Sorgenkind zu sammeln. Inzwischen hat er über eine dreiviertel Million Mark eingesackt. „Es war mein freier Wille, daß ich das mache. Ich selber verdiene daran keinen Pfennig, das kommt alles den Behinderten zugute.“ Rentrup meldet sich immer vorher bei den Gemeinden an, die er besucht. Trotzdem gibt's Probleme. Da ist z.B. in einem Rathaus der Eingang für Behinderte auf der Rückseite des Gebäudes. Aber der Aufzug ist für seinen Rollstuhl zu eng. Er muß umsteigen auf einen kleineren, um zum Empfang durch die stellvertretende Bürgermeisterin in der ersten Etage zu kommen. Manche Stadtväter wollen ganz besonders nett sein und mieten ihm ein schickes Hotelzimmer. Doch die Räume sind nicht für Rollstühle konzipiert, die tägliche Hygiene in den Naßzellen unmöglich. Auch über das Turmzimmer, 23 Stufen hoch, konnte sich Herr Rentrup nicht freuen. Zwei Polizisten trugen ihn schließlich hinauf. Doch die Abfahrt am nächsten Morgen verzögerte sich – niemand war da, der ihn wieder hinunter brachte. Verlegenheit macht sich in solchen Fällen bei den Nichtbehinderten breit und die drückt sich in Andenken aus: Urkunden, Wappenteller, bedruckte Bierseidel und andere Staubfänger hat Rentrup massenhaft. Doch er läßt sich nicht entmutigen. „Noch vieles ist zu tun. Irgendwie steht man immer wieder am Anfang“, meint er. Roll on Georg! Karl Wegmann
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