■ Flüchtlinge und Gefangenenlager in Ex-Jugoslawien: Retten, wer gerettet werden kann
Der jüngste Besuch von Journalisten in kroatischen Internierungslagern bestätigt erneut: gegen alle internationalen Konventionen werden Muslime gefoltert, vergewaltigt oder nach ihrer Freilassung hinterrücks erschossen. Die ethnischen Säuberungen gehen weiter. Völkermord an den Muslimen – ausgeführt von serbischen und kroatischen Warlords. Wird wenigstens jetzt – kurz vor dem nächsten tödlichen Winter – international das Nötige getan? Insidern zufolge hat die US-Administration die minimalen Restforderungen des geschlagenen Izetbegović unterstützt und ihre Drohung mit Luftschlägen bei massiven Angriffen glaubwürdig wiederholt. Die UN-Truppen sollen bei einem Waffenstillstand auf 50.000 verstärkt werden. Der Druck auf die Aggressoren wächst – und wird vom Auswärtigen Amt geteilt, wie auf eigene Nachfrage versichert.
Allerdings kann die Bundesregierung – auch angesichts einer wachsenden Opposition in Kroatien selbst – den Druck auf die Regierung Tudjman erheblich erhöhen. Die Öffnung der konzentrationslagerähnlichen Lager ist selbst Resultat verstärkter Sanktionsdrohungen von seiten der Briten, wie der gestrige Guardian schreibt. Es zeigt, daß Kroatien ökonomisch, politisch und diplomatisch auf Europa angewiesen ist. Solange aber Tudjman mit einem „faschistischen“ (Guardian) Kriegsverbrecher wie Malte Boban militärisch, politisch und diplomatisch kollaboriert, muß der kroatischen Regierung gerade von der Bundesregierung mehr als bisher mit Sanktionen gedroht werden. Der Spielraum dazu – unterhalb des Abbruchs der diplomatischen Beziehungen und ohne Gefährdung der großen Zahl muslimischer Flüchtlinge – ist keineswegs ausgeschöpft worden, obwohl auch der Bundeskanzler meiner Nachfrage zufolge vor allem auf ökonomische Sanktionsdrohungen setzt. Unmittelbar aber geht es darum, die konzentrationslagerähnliche Haft der Menschen aufzuheben: durch Zugang internationaler Hilfsorganisationen, durch Auflösung dieser „wilden“ KZs, durch Sicherung des Überlebens der Gefangenen.
Wir müssen bereit sein – mit der Mehrheit der Bevölkerung und mit Hilfe der Initiativen von Politikern wie Freimut Duve bis Stefan Schwarz –, die Flüchtlinge vor Ort, vor allem in Kroatien, zu unterstützen, sie aber auch hier großzügig aufzunehmen. Die von der Ausländerbehörde in der Hauptstadt Berlin geplante Abschiebung, etwa von serbischen Kriegsdienstverweigerern, ist nicht nur beschämend, sondern auch unmenschlich und deckt sich schon gar nicht mit den öffentlich geäußerten Beteuerungen gegenüber den Kriegsflüchtlingen. Wir brauchen den überparteilichen Druck der Öffentlichkeit, gerade jetzt. Hajo Funke
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