Daimlers Edzard Reuter will Rußland retten

■ In Moskau wirbt der Konzernchef für den kostengünstigen Benz-Dieselmotor

Moskau (taz) – Praktisch wäre der Konzern Daimler-Benz allein in der Lage, die verrottete Infrastruktur Rußlands auf Vordermann zu bringen. Dieser Schluß liegt nahe nach der Pressekonferenz, die Vorstandsvorsitzender Edzard Reuter am Dienstag abend im neuen Moskauer Edel-Hotel Baltschug-Kempinski gab. Zuvor hatte er eine Gedenktafel am Leningradski-Prospekt enthüllt, wo auf dem Gelände eines Sport- Clubs die neue Repräsentanz der Firma wachsen soll. Hier werden sich auf 2.000 Quadratmetern unter einem Dach Büros der Konzerntöchter Mercedes, Deutsche Aerospace (Dasa), AEG und Debis befinden, außerdem ein gemeinsames Ausstellungszentrum und ein zentrales Einkaufsbüro.

Und so sieht das Daimler-Programm zur Zusammenarbeit mit Rußland aus: Mercedes schwört auf Dieselmotoren. Reuter bezeichnete sie als die nach wie vor umweltfreundlichste Option. Vor allem an Diesel-Taxis könnten seiner Ansicht nach die russischen Großstädte interessiert sein. Der Ansicht des Konzernchefs zufolge hat dieser Wagentyp eine Chance, als erster in großem Maßstab in Rußland produziert zu werden. Mit Moskaus Bürgermeister Luschkow traf Reuter zusammen, um die Lieferung und den gemeinsamen Bau von Fahrzeugen für die sozialen Dienste der Stadt zu besprechen, vom Krankenwagen bis zum Müllkipper. Dabei wurde die Herstellung von Omnibussen in den Moskauer SIL-Werken ins Auge gefaßt. Schon heute baut Mercedes Omnibusse in der Stadt Golizyno und liefert den WAS- Automobilwerken Kontrollgeräte. Die KamAS-Werke versorgt sie mit Motoren, die dort künftig auch gebaut werden sollen.

Mercedes montiert gegenwärtig bereits 50 Prozent seiner Kraftwagen im Ausland. Die rußlanderfahrene AEG plant gemeinsam mit dem Konzern Gasprom ein umfassendes Vertragswerk, um die großen Erdöl- und Gas-Pipelines des Landes zu modernisieren. Ein eigenes Joint-venture soll sich um Sicherheits- und Leittechnik auf den Moskauer Flughäfen kümmern, Postverbindungen und auch Stromleitungen automatisieren. Was die Dasa betrifft, so bastelt sie künftig gemeinsam mit den Tupolew-Werken an Flugzeugen mit Wasserstoffantrieb – ein eher langfristiges Projekt.

Die Tageszeitung Kommersant wertet das Engagement des Konzerns als weiteres Zeichen dafür, daß sich deutsche Gesellschaften aktiver als andere in Rußland engagieren. Der Daimler-Vorstandsvorsitzende verlieh der Hoffnung Ausdruck, daß es schon im nächster Zeit gelingen könnte den Warenumsatz des Konzerns in Rußland, der bisher nur 300 Millionen Mark beträgt, auf eine Milliarde zu steigern.

Natürlich betrachtet man bei Daimler das Land auch als Brückenkopf für die gesamte GUS. Schon dieser Tage fliegen Vertreter des Konzerns nach Kasachstan, um dort ihre firmendiplomatischen Initiativen fortzusetzen.

Auf die Frage, welche Absatzchancen er sich für seine Personenwagen in Rußland ausrechne, antwortete Reuter: „Sie werden ja bemerkt haben, daß schon heute im Moskauer Straßenbild auffällig viele Mercedes-Benz-Wagen zu sehen sind. Leider stammen nicht alle aus unserer eigenen Organisation... Daran müssen wir arbeiten.“ Barbara Kerneck