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Eine Reise in die Körperzellen

■ Butoh-Tanz von Yumiko Yoshioka und Kim Itoh im Tacheles

Gleich zwei Butoh-Stücke hintereinander sind zur Zeit im Tacheles zu bewundern: „All Moonshine“ von Yumiko Yoshika und „Nerve Maze Garden“ von Kim Itoh. So unterschiedlich wie die Titel sind auch die beiden Solostücke – poetisch das eine, Gruselkabinett das andere.

„All Moonshine“ wurde schon vor anderthalb Jahren in Berlin gezeigt. „Nerve Maze Garden“ ist nach der Uraufführung in Tokio das erste Mal in Deutschland zu sehen. Zwei Stücke, unterschiedlich auch in ihrer Qualität – gegen die großartige Yumiko Yoshioka kann Kim Itoh kaum bestehen. Er schockiert seine Zuschauer mit spektakulären Effekten, mit aufgeklebten, hervorspringenden Augen und dissoziierten Bewegungen, die sich steigern, bis der Körper nicht mehr zu folgen vermag und auf den Boden fällt. Der Körper wird ganz von seinen beiden Zeigefingern beherrscht, die durch den Raum fahren und immer wieder auf Kim Itoh selbst zeigen. Vorgeführt wird das in einer überanstrengten Gewolltheit, die über weite Strecken im Psychokrampf steckenbleibt. Nur in seinen besten Momenten, wenn Kim Itoh alles aufbietet, um seinen eigenen Fingern zu entgehen, erreicht sein Spiel Dichte und Konzentration.

Ganz anders dagegen Yumiko Yoshioka in „All Moonshine“. Ihr Tanz läßt eine andere Zeitqualität entstehen und irritiert auf grandiose Weise die Wahrnehmung. Über eine lange Sequenz zeigt sie nichts als ihren entblößten Rücken. Eine Reise in die Körperzellen: Durch kaum wahrnehmbare Bewegungen wird der Rücken mal runzelig, mal glatt. Die Schulterblätter treten hervor, bekommen Grübchen und scheinen in den verschiedensten Dehnungen einer verzerrten Gesichtsmimik ähnlich. Ein Eigenleben bekommt auch die Musik – zu hirnzermarternden Syntheziserklängen bewegt sich die Tänzerin durch den Raum, als könne sie die Töne greifen, besiegen und aus dem Raum verdrängen.

Doch schließlich ist es der Körper, der besiegt und von Zuckungen überwältigt wird, reflexhaft schnellen Beine und Arme empor, wirbelt der Körper durch die Luft. Yumiko Yoshioka, die in den frühen Siebzigern als Mitglied von ARIADONE, der ersten japanischen Frauen-Butoh-Tanzgruppe, ihre Tanzkarriere begann, ist seit 1988 festes Mitglied von tatoeba ThéÛtre Danse Grotesque, Kim Itoh ist dort Gasttänzer. Beide waren zuletzt in Berlin in „The Last Dinner“ zu sehen. Michaela Schlagenwerth

Bis zum 12. September täglich um 21 Uhr im Tacheles, Oranienburger Straße, Mitte.

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