Lido-Kino

Der Preis dieses Festivals mag ja an Robert Altman gehen; und vielleicht erhält Godard irgendeinen Kunstbonus. Der wahre Publikumsliebling aber – wenn sich die Aufregung um La Tina und die Dinos gelegt hat – ist eindeutig Robert De Niro, der das Kunststück fertigbringt, „einer von uns“ und trotzdem Amerikaner zu sein. Sein „Bronx Tale“ ist die italo-amerikanische Antwort auf „Do the Right Thing“ und erzählt im gemütlichen Plauderton die Geschichte des kleinen Calogero, der in den fünfziger Jahren aufwächst zwischen einem Vater, der Busfahrer ist (Robert De Niro), und einem Godfather, der Godfather ist (Chazz Palminteri). In den sechzigern passiert, was zuvor in Brooklyn geschah: Die weißen Immigranten machen den Aufstieg in die Mittelklasse und ziehen nach New Jersey, die Schwarzen übernehmen die abgewohnten, billigen Mietwohnungen. De Niro macht aus der Bronx keine Mördergrube; obwohl Hells Angels und Schwarze vom italienischen Mob verprügelt werden, war die Neighborhood gemütlich: Obstkarren rumpelten hinter alten Eseln her, die Kinder hatten rote Bäckchen und spielten auf den Treppen, Sinatra sang, und der Pate war wirklich ein Pate; der Mob bot Schutz. De Niro spielt genau den Paps, den er selbst, glaubt man den Chronisten, immer sehnlichst hatte haben wollen: ein Normalo im gestärkten Hemd, kein Bohemien wie der Maler Robert De Niro senior, dem der Film gewidmet ist. Als Teenager verliebt sich Calogero in eine schwarze Schöne, was zu allerhand Tumult führt. In dessen Verlauf fliegen die Mollis, die bei Spike Lee in Sals Pizzeria landeten, in schwarze Bars, und De Niro läßt ein paar verkohlte Füße unter den Leichentüchern hervorlugen, um zu zeigen, daß das jedenfalls nicht das Richtige war.

Ein ganz anderes New York war in „Manhattan by Numbers“ von Amir Naderi („The Runner“) zu sehen. Die Anspielung auf „Drowning by Numbers“ ist wohl durchaus intendiert, wenn der Protagonist Murphy die Stadt vom hohen Norden bis zur Wall Street auf der Suche nach einem gewissen Tom Ryan durchkämmt, der ihm dringend Geld leihen soll. Komischerweise verschwimmen durch die Art der Montage im immergleichen Stakkato-Rhythmus die feinen Linien im Netzwerk Manhattans; alles ist Aktions-Malerei; ein einziger, erdrückender Wirbelwind aus zu vielen Gesichtern, Geräuschen und Signalen. Dos Passos hat es schon genauer gewußt.

Ansonsten warten wir noch immer auf Godard.

Aus Venedig:

Mariam Niroumand