■ Die CDU nominiert Steffen Heitmann: Kandidat der Desintegration
Die Union will Schaden vom hohen Amte abwenden – und nominiert Steffen Heitmann für die Nachfolge Richard von Weizsäckers. Beides geht nicht zusammen, Heitmann im Amt wäre ein Schaden. Der fürs Amt wäre noch zu verschmerzen, aber Heitmann soll schließlich nach dem Willen der Union die Republik repräsentieren, in Washington beispielsweise oder in Jerusalem – und auch dann, wenn sich das Bild der Deutschen im Ausland angesichts wachsender sozialer Instabilität und grassierender Ausländerfeindlichkeit weiter verdüstert. Gerade in dem Maße, in dem die Deutschen mit ihrer neuen Realität nicht zu Rande kommen, wächst – gewollt oder nicht – die Anforderung an den Präsidenten und zugleich die Gefahr, überfordert, weiteren Schaden anzurichten. Mit nichts hat Steffen Heitmann bislang untermauert, er könne dem gewachsen sein.
Auf der Soll-Seite jedoch hat er bereits einiges angesammelt. Er hat Pseudoerklärungen für die Pogrome geliefert, die von offenem Verständnis kaum mehr zu unterscheiden sind. Wenn er den Hintergrund ausländerfeindlicher Anschläge mit dem Begriff „Überfremdung“ ausleuchtet, mag die FAZ dies mit der jahrzehntelang erzwungenen Ferne zum westlichen Sprachgebrauch entschuldigen, plausibel wird damit eben nur, daß er zum gesamtdeutschen Kandidaten nicht taugt.
Und Heitmann bleibt eine Zumutung. Denn noch der Versuch, die seiner Kandidatur abträgliche Scharte wieder auszuwetzen, gerät zur Bestätigung, wie tief sein Unbehagen vor dem Fremden sitzt: In Kommunen mit „25prozentigem Ausländeranteil“ – so ließ der Kandidat am Mittwoch abend das bundesdeutsche Fernsehpublikum wissen – seien Ängste der einheimischen Bevölkerung eben vorhersehbar. 25 Prozent ausländische Bürger gibt es in der Bundesrepublik in Frankfurt am Main – nicht an der Oder. Heitmann bestätigt das klassische Schema: Weil das plumpe Ressentiment nicht mehr opportun scheint, richtet es sich die „Fakten“ zu, die es stützen sollen. Es bleibt Ressentiment.
Im Grunde formuliert der Kandidat nichts anderes als sein eigenes Unbehagen vor der Main-Metropole. Doch die und Stuttgart und Berlin hätte er mitzuvertreten. Wie soll das gehen? In Zeiten, in denen – ohnehin mit kaum mehr als symbolischen Akten – für gegenseitiges Verständnis geworben werden muß, wird Heitmann über die Prozent-Schwelle räsonieren, jenseits deren das Mißverständnis legitimiert wäre?
Heitmann, dessen Bewerbung bislang einzig mit dem Argument unterfüttert wird, einer aus dem Osten müsse es machen, um die gesamtdeutsche Integration zu fördern, ist ein Kandidat der Desintegration: zwischen Deutschen und Ausländern, zwischen West und Ost. Einer wie er, der ein positives Nationalgefühl befördern will, begründet neuerlich das Unbehagen an solcherlei Unterfangen. Doch unbehaglicher noch als die Vorstellung eines Bundespräsidenten Steffen Heitmann wirkt die Entschlossenheit, ihn durchzusetzen. Plakativer hätte die Union ihren Trend aus der Mitte des politischen Spektrums hin aufs borniert Nationale kaum ausdrücken können. Heitmann, ein Dementi der alten Bundesrepublik. Kein gutes Omen für die neue. Matthias Geis
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