Salman stellt Václav gegen Václav

■ Rushdie war bei Václav Havel, Václav Klaus wußte von nichts / „Moralische Unterschiede“ oder Eitelkeit?

Prag (taz) – Václav Klaus ist ein Mann der schnellen Worte. Und nicht nur das. Die Tageszeitung Mlada Fronta dnes quittiert dem tschechischen Premier, sich in außenpolitischen Angelegenheiten wie ein „Elefant im Porzellanladen“ zu verhalten. Der Grund: Klaus äußerte die Befürchtung, daß der jüngste Besuch des britischen Schriftstellers Salman Rushdie in der Tschechischen Republik von islamischen Ländern als „feindlicher Akt“ interpretiert werden könne.

Hinter dieser Besorgnis steckt gekränkte Eitelkeit. Rushdie ist nämlich auf Einladung des Präsidenten Václav Havel zur „Helsinki Citizens Assembly“ (HCA) nach Tschechien gereist – und Klaus hat davon nichts gewußt. „Nach der letzten Regierungssitzung habe ich mich mit dem Herrn Präsidenten unterhalten“, sagte Klaus der Lidove Noviny und klagte: „Er hat mir keine Infos gegeben, daß er sich mit Rushdie trifft.“

Havel weist die Kritik zurück. Auf dem Europäischen Kulturkolloquium in Prag habe er sich mit Rushdie über Recht und Gerechtigkeit unterhalten, sagte der tschechische Präsident. Diese Werte seien das Fundament einer europäischen Tradition. Und dann schoß er mit starken Worten zurück: „Es ist doch komisch, wenn jemand an dieser Integration [der CR an Europa] teilnehmen will und gleichzeitig Gründe sucht, warum es taktisch besser ist, Rushdie zu ignorieren. Das grenzt an ein Leben in Lüge.“

„Es ist billig, ein Gesicht zu ziehen und vorzutäuschen, daß es in diesem Augenblick um derartige Werte geht“, kommentierte Klaus die Worte des Präsidenten. Vor tschechischen Kameras gab sich der Premier geradezu unbescheiden: Havel habe eine „philosophische These“ geäußert, auf die er, Klaus, vom „philosophischen Standpunkt betrachtet auch reagieren könne“. Rückendeckung aus eigenen Reihen hat Klaus in dem Zwist kaum. Das Ministerium für auswärtige Angelegenheiten habe einen Tag vor Rushdies Ankunft eine Mitteilung bekommen, erklärte Pressesprecherin Lucie Philipova und fügte hinzu, daß es sich um ein Treffen zwischen zwei Schriftstellern handelt und daß das Außenministerium die Befürchtungen von Klaus nicht teile.

„Tiefe Beunruhigung“ über Klaus' Standpunkt äußerte derweil die „Helsinki Citizens Assembly“. Nicht zuletzt auf diese und die Reaktion der Zeitungskommentatoren, die „Welt könne auf den Vorfall mit Unverständnis“ reagieren, gesellten sich Havel und Klaus jetzt kurz vor die Kameras und sagten unisono: In den Desinterpretationen seien keine politischen und moralischen Unterschiede der beiden Politiker zu sehen. Tomas Niederberghaus