„Die Verbrecher halten sich nicht an Regeln“

■ Zwei Morde, zwei Wahrnehmungen: Selektive Sorge um Kriminalität in den USA

Washington (taz) – Uwe Rakebrand, LaShon Preston – zwei Namen, zwei Menschen, die in den letzten 36 Stunden in den USA erschossen worden sind. Uwe Rakebrand (33) war der achte Tourist, der in den letzten zwölf Monaten im Urlaubsparadies Florida ermordet worden ist. LaShon Preston, ein siebzehnjähriger Afroamerikaner, wurde vorletzte Nacht in Washington ebenfalls von Unbekannten vor seinem Haus erschossen.

Im Fall Rakebrand haben der Gouverneur des Bundesstaates Florida und Vertreter des Fremdenverkehrsamtes der Stadt Miami eine Pressekonferenz einberufen, ihr Entsetzen zum Ausdruck gebracht und 25.000 Dollar Prämie für Hinweise auf die Täter ausgesetzt; im Fall LaShon Preston gibt es keine offizielle Stellungnahme. Morde an afroamerikanischen Männern haben keinen Einfluß auf das Tourismusgeschäft. Sie sind außerdem zu häufig, zu „normal“ geworden, als daß sie bei Gouverneuren, Bürgermeistern oder anderen Volksvertretern besondere Aufregung hervorrufen würden. Mord gilt mittlerweile als Haupttodesursache unter schwarzen Jugendlichen. Prestons Name tauchte vermutlich nur deshalb in der Washington Post auf, weil er ein populärer Footballspieler an seiner Schule war und aus seinem Team in den letzten Wochen bereits drei Spieler wegen Schußwunden ausscheiden mußten.

Dank einer konzertierten Blitzaktion der Polizei ist im Fall Rakebrand bereits ein Verdächtiger in Haft. Rakebrand war von zwei Männern in seinem Mietwagen erschossen worden, nachdem die Täter vergeblich versucht hatten, den Urlauber und seine Frau auf der Autobahn durch einen fingierten Auffahrunfall zum Aussteigen zu bewegen. Bereits nach dem Fall der Berliner Touristin Barbara Meller Jensen, die im April von zwei Männern ermordet worden war, die ihr vom Autoverleih am Flughafen gefolgt waren, hatte die Stadt Miami eine spezielle Einsatzgruppe der Polizei gegründet sowie die Straßenbeleuchtung und Ausschilderung auf den Autobahnen verbessert. Fremdenverkehr ist der wichtigste Wirtschaftszweig des Bundesstaates. Rund 42 Millionen Touristen brachten allein im letzten Jahr 31 Milliarden Dollar in die Kassen von Staat und Privatunternehmern.

Nicht nur deshalb macht der Mord an Rakebrand auch in den USA seit zwei Tagen ununterbrochen Schlagzeilen. Zum einen ist das Verbrechen vor allem für die weiße Bevölkerung ein weiteres Indiz, daß die Mobilität und die Abgeschlossenheit des Autos keine Sicherheit mehr garantieren. Zum anderen wirft der Fall erneut ein Schlaglicht auf die zunehmende Brutalisierung bei Eigentumsdelikten.

Die Worte des Polizeisprechers in der Nacht des Mordes wirkten da ebenso bezeichnend wie hilflos: Nachdem sich die beiden Deutschen nicht aus dem Auto locken ließen, hätte man annehmen können, daß die Täter aufstecken und weiterfahren. „Doch die Verbrecher halten sich nicht an die Regeln.“ Andrea Böhm