■ Hunderte von Somalis wurden von UNO-Truppen getötet
: Schlange, kopflos

In Richard Attenboroughs Schinken „Gandhi“ gibt es eine Schlüsselszene zur Begründung des indischen Nationalismus. Britische Soldaten, ordentlich aufgereiht, mähten eine friedliche Versammlung von Indern nieder, töteten immer mehr Frauen und Kinder, die verzweifelt über eine Mauer aus dem zur Todesfalle gewordenen städtischen Hof zu entkommen suchten. Auf der einen Seite stand die kaltblütige Präzision der Briten, auf der anderen das kopflose Entsetzen der Inder. Am Ende zählte man über 300 Tote. Im Film waren die Briten über dieses „Massaker von Amritsar“ aus dem Jahr 1919 empört, der verantwortliche Kommandeur wurde strafversetzt; daß die tatsächliche britische Empörung sehr viel leiser war, sei hier nur am Rande vermerkt. Aber sollte jemals ein Film über die UNO-Intervention in Somalia gedreht werden – seine Schlüsselszene stünde schon fest. Wieder Demonstranten, die von ausländischen Soldaten niedergemäht werden; wieder Hunderte Tote, sogar die Mauer kommt vor, offiziell als angebliches Versteck vermeintlich angreifender Frauen und Kinder.

Zwar waren es wohl nicht ganz 300 Menschen, die an diesem Donnerstag abend in Mogadischu den Tod fanden. Und von Empörung auf verantwortlicher UNO-Seite ist keine Rede; die Opfer sind wieder einmal selber schuld und auch – wer sonst – der offenbar allgegenwärtige General Aidid. Kein US- oder UNO- Kommandeur, der für diesen immer blutigeren Krieg verantwortlich zeichnet, wird jemals mit Strafversetzung rechnen müssen. Nein, sie werden weitermachen im Glauben an eine historische Mission, sie werden weiter – wie jetzt geschehen – lügen und verschleiern, bis sich die Balken biegen. Der UNO-Auftrag wird bis zum Ende ausgeführt werden, und viel zu spät werden die maßgeblichen Teilnehmernationen die Falle entdecken, in die sie sich selbst lockten. Die UNO griff in Somalia ein, weil der somalische Staat aufgehört hatte zu existieren; den somalischen Staat gibt es nicht, weil er nie von den Somalis geliebt wurde, weil er im Bürgerkrieg untergegangen ist und kein Somali nach dem Sturz der Barre-Diktatur ernsthaft seine Wiedererrichtung wünschte. Mit „allen notwendigen Mitteln“ sollen die Somalis zurück in die abgeschüttelte Staatsform gezwungen werden. Wer ein solches Gebilde je außer skrupellosen Militärs vom Schlage eines Aidid regieren soll, weiß die UNO natürlich auch nicht. Sie gleicht in Mogadischu einer Schlange, die sich immer weiter in den Schwanz beißt, um dem Gegenüber die eigene Giftigkeit zu demonstrieren. Und schnell ist sie zu nichts anderem mehr in der Lage. Schöne Bilder gibt dies nicht her, ein Gandhi ist in Somalia auch nicht in Sicht. Wird wohl nichts mit dem Film. Dominic Johnson