: Indien entsendet Somalia-Kontingent
■ Nach längerem Zögern sind die ersten Einheiten unterwegs
Neu-Delhi (taz) – Die ersten Truppenverbände, die Indien für die UNO-Operationen in Somalia zur Verfügung stellt, sind jetzt unterwegs. Bis Ende September soll das ganze Kontingent von 4.700 Mann vor Ort einsatzbereit sein. Die mehr als einmonatige Verspätung, mit welcher die Regierung ihrem Versprechen nachkommt, verbirgt eine Kontroverse in der Armeespitze und im Verteidigungsministerium – die in der Öffentlichkeit allerdings kaum wahrgenommen wurde. Sie dreht sich um die Teilnahme an einem Blauhelm-Einsatz, der in den Augen der Inder von Anfang an schlecht geplant war und von den USA ohne große Überlegung vom Zaun gerissen wurde. Hätten diese, so ist die Meinung indischer Offiziere mit langer UNO-Erfahrung, ein bißchen die Geschichte früherer Aktionen studiert, dann hätten sie die Notwendigkeit einer umfassenderen Planung – sowohl in bezug auf die örtlichen Gegebenheiten als auch auf die politischen Dimensionen – eingesehen.
In Indien ist dabei die UNO- Aktion von 1961/62 im damaligen Belgisch-Kongo (heute Zaire) noch in guter Erinnerung, an der eine ganze indische Division beteiligt war. Schon damals mußten die Blauhelme plötzlich auf eine protestierende Zivilbevölkerung schießen, statt einfach, wie erwartet, die Kampfhähne auseinanderzuhalten. Das Prestige Indiens als Vorkämpfer der Entkolonisierung, so meinte etwa ein pensionierter Luftwaffenoffizier, habe damals gelitten und Premierminister Nehru schließlich zum Abzug seiner Soldaten bewogen.
Die indische Truppe in Somalia wird eine Brigade umfassen, die unter anderem aus einem Bataillon mechanisierter Infanterie mit gepanzerten Transportern, einem Panzerbataillon mit T-72-Tanks und einer Artillerie-Batterie zusammengesetzt ist. Die langjährige Erfahrung Indiens in Blauhelm- Aktionen, die bis auf den Koreakonflikt 1950 zurückgeht und praktisch alle friedenserhaltenden Aktionen der UNO umfaßt, stellt sicher, daß die Soldaten, einmal einsatzbereit, nicht nur zahlenmäßig eine wichtige Verstärkung der Kontingente anderer Länder bringen wird. Die indische Armee hält sich zudem ihre lange Erfahrung im Umgang mit bürgerkriegsähnlichen Konflikten im eigenen Land – sei es in Kaschmir, im Punjab oder zur Grenze nach Burma – und in Sri Lanka zugute. Diese Kenntnisse, meinen die Leiter des Einsatzes zuversichtlich, werden in Somalia, im Umgang mit einer feindlichen oder passiven Bevölkerung, ihren Wert zeigen.
Daß der Konflikt mit fremden Kollegen auch Unterschiede bewußt macht – etwa bei der Höhe des Solds – wird in der Armeeführung als kleines Problem betrachtet. In einem Land mit der strukturellen Beschäftigungslosigkeit Indiens sei die Mitgliedschaft in einer uniformierten Institution mit garantierten Löhnen und Pensionen ein derartiges Privileg, daß internationale Vergleiche nur wenig Mißstimmung schaffen könnten. Bernard Imhasly
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