Amerikaner zweifeln an ihren Militäreinsätzen

■ Erstes Opfer: Bosniens Izetbegović / Senatsvorbehalte gegen Somalia-Mission

Am Ende mochte er seine Verbitterung doch nicht zurückhalten. Alija Izetbegović berichtete von seinem Besuch im Washingtoner Holocaust-Museum, von den Dokumenten des Naziterrors und Genozids an den Juden und der „Passivität der internationalen Völkergemeinschaft, auch der USA, die das geschehen ließ“.

Um sich nach dem Ende der Genfer Verhandlungen der Rückendeckung der Amerikaner zu versichern, waren Izetbegović und Vizepräsident Ejup Ganic in die USA gereist. Wieder einmal hatte Washington den Widerstand der bosnischen Regierung bestärkt. Wieder einmal machte der Mann im Weißen Haus einen Schritt zurück, und wieder einmal mag sich Izetbegović über die unbegreiflichen Wandlungen des Bill Clinton wundern.

Die Bitte der bosnischen Regierung an die USA, den bosnischen Serben endlich ultimativ mit militärischem Eingreifen zu drohen, falls die Belagerung Sarajevos nicht aufgehoben wird, lehnte Clinton ab. Noch unmittelbar nach dem Abbruch der Genfer Verhandlungen war Clinton der bosnischen Regierung zur Seite gesprungen und hatte erklärt, die Drohung von Nato-Luftangriffen auf serbische Stellungen sei weiterhin „vollständig in Kraft“. US-Außenminister Warren Christopher, sonst ein Meister in der Kunst nichtssagender Stellungnahmen, hatte Kroaten und Serben „Unnachgiebigkeit und Verbohrtheit“ vorgeworfen und verlangt, sie sollten auf die Forderungen der bosnischen Regierung nach territorialen Zugeständnissen eingehen. Doch nun wurde Izetbegović und Ganic bedeutet, daß die USA nicht bereit sind, mehr als diplomatischen und wirtschaftlichen Druck auf Serben und Kroaten auszuüben.

Washington dürfte der bosnischen Regierung damit klargemacht haben, daß die Vereinigten Staaten nicht bereit sind, die in Genf verhandelte Dreiteilung Bosnien-Herzegowinas in Frage zu stellen. Und auch die Entsendung von US-Truppen zur Durchsetzung eines Abkommens, so es denn zustande kommt, mochte Clinton nicht ohne weiteres zusichern. Gleich viermal betonte er während eines kurzen Fototermins mit Izetbegović, daß ohne die Zustimmung des US-Kongresses gar nichts gehe.

Dort aber ist angesichts wachsender Konfusion über das „Warum“ und „Wie lange“ des Einsatzes von US-Truppen in Somalia Unruhe ausgebrochen. Der Senat hat am Donnerstag abend mit 90 gegen 7 Stimmen einen Antrag verabschiedet, wonach die USA ihre Soldaten Mitte November aus Somalia abziehen müßten – es sei denn, das Parlament verlängerte ausdrücklich die Mission in dem ostafrikanischen Land. Vor diesem Hintergrund ist die Zustimmung des Kongresses zur Entsendung von mindestens 20.000 US-Soldaten zu einer noch viel gefährlicheren Mission in Bosnien alles andere als sicher. Noch während des US-Aufenthalts der bosnischen Delegation wurde zudem klar, daß US-Verteidigungsminister Les Aspin nicht, wie angekündigt, an diesem Wochenende nach Sarajevo reisen wird, um die Situation der Haupstadt in Augenschein zu nehmen. Das hätte ein Medienecho verschafft, das man im Weißen Haus unbedingt vermeiden möchte.

Da tat es dann schon weh, mit anzusehen, wie Alija Izetbegović am Donnerstag vor Journalisten in Washington die Contenance zu wahren suchte. „Relativ befriedigend“ sei sein Gespräch mit Clinton gewesen. Auf die Frage nach der Glaubwürdigkeit der militärischen Drohgebärden der USA erklärte er: „Für uns war bislang jede Initiative der USA glaubwürdig.“ Erst als er aus dem Englischen ins Serbokroatische wechselte und seine Tochter dolmetschen ließ, wurde die Sprache klarer: „Vielleicht“, sagte er, „können die Amerikaner am besten nachvollziehen, was es heißt, wenn eine Gesellschaft in ihre ethnischen Gruppen auseinanderdividiert wird. Die Europäer begreifen es nicht.“ Andrea Böhm